Ramadan Kareem

Vom 5. Mai bis zum 3. Juni war Ramadan und die muslimische Bevölkerung des Westjordanlands fastete. Das öffentliche Leben war verlangsamt, kein Restaurant hatte auf und die Läden öffneten erst nachmittags. Die Menschen gingen später zur Arbeit und ruhten sich tagsüber, bei Temperaturen über 30 °C, so viel wie möglich aus. Auch die Gastfreundschaft war anders: Mit der gleichen Selbstverständlichkeit, mit der im Rest des Jahres bei jeder Gelegenheit Kaffee oder Tee angeboten wird, fiel dies nun weg. Auch für uns EAs bedeutet Ramadan, aus Respekt tagsüber im öffentlichen Raum weder zu trinken, noch zu essen oder auch zu rauchen.

Die hitze- und fastenbedingte Trägheit wurde einmal in der Woche unterbrochen. An den Freitagen machten sich Zehntausende auf, zu den Checkpoints[1] nach Jerusalem, um in der Al-Aqsa-Moschee zu beten.

Frauen auf dem Weg zum Checkpoint 300 in Bethlehem; Foto © EAPPI
Frauen auf dem Weg zum Checkpoint 300 in Bethlehem; Foto © EAPPI

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Vier Wochen Yanoun

Schafe blöken, zwei Katzen fauchen sich an und der Hahn schreit mit dem Esel um die Wette –  typische Hintergrundgeräusche von Yanoun. Seit fast vier Wochen gehören diese Geräusche zu unserem Alltag, der sich aus ganz unterschiedlichen Aufgaben zusammensetzt. Hierzu gehört die ständige Präsenz im Dorf sowie Aktivitäten in unserem Einsatzgebiet zwischen Ramallah und Nablus. So bleibt unter der Woche, wenn möglich, ein Teammitglied tagsüber in Yanoun, während die anderen eine Vielzahl von Aufgaben erledigen, darunter die Begleitung von Schulkindern, Hirten und Bauern oder Besuche in Gemeinden und bei Organisationen.

Yanoun

Der Weg von Lower Yanoun nach Upper Yanoun © EAPPI
Der Weg von Lower Yanoun nach Upper Yanoun © EAPPI

Über die Geschichte des Dorfes haben schon viele EAs geschrieben[1]. Seitdem die Einwohner*innen 2002 nach Yanoun zurückgekehrt sind – mit Hilfe israelischer und internationaler Friedensaktivist*innen – leben Teilnehmende unseres Programms im Dorf. Physische Übergriffe sind in dieser Zeit zurückgegangen, aber die das Dorf umgebenden Siedlungsaußenposten sind stetig gewachsen und auch auf angrenzende Hügel erweitert worden.

Yanoun ist seit Ende der 90er Jahre umgeben von stetig wachsenden Außenposten der Siedlung Itamar. Nach internationalem und auch noch israelischem Recht gelten solche Siedlungsaußenposten als illegal © EAPPI
Yanoun ist seit Ende der 90er Jahre umgeben von stetig wachsenden Außenposten der Siedlung Itamar. Nach internationalem und auch noch israelischem Recht gelten solche Siedlungsaußenposten als illegal © EAPPI

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Keine besonderen Zwischenfälle – nur Machtgefälle

Die  Provinzstadt Qalqiliya liegt im Nordwesten der Westbank direkt an der sogenannten Grünen Linie, der international anerkannten Grenze nach Israel, und wird von der in dieser Region wie wild mäandernden Mauer nahezu komplett eingeschlossen. Irgendeine ökonomische Entwicklung in diesem durch die Mauer zur Enklave mutierten Ort ist kaum möglich.

Karte UNOCHA / Humanitarian Atlas 2019; die landwirtschaftlichen Tore in der Trennbarriere sind mit grünen Kreuzen markiert, die palästi-nensischen Orte braun und die Siedlungen lila dargestellt.
Karte UNOCHA / Humanitarian Atlas 2019; die landwirtschaftlichen Tore in der Trennbarriere sind mit grünen Kreuzen markiert, die palästi-nensischen Orte braun und die Siedlungen lila dargestellt.

Eine der besonderen Aufgaben des EAPPI-Teams ist hier das „monitoring der agricultural gates.“ Diese landwirtschaftlichen Tore in der Mauer – die hier in den ländlichen Gebieten als Sicherheitszaun mit Patrouillenstraße und Graben ausgebaut ist – wurden eingerichtet, weil sich viele der Äcker, Gewächshäuser oder Olivenhaine der Bauern hiesiger palästinensischer Dörfer nach dem Mauerbau auf der anderen, von Israel vereinnahmten Seite befinden.

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Tourismus mit Tiefgang

Alle Teilnehmer/innen am „Ecumenical Accompaniment Programme in Palestine and Israel“ treffen sich zur „Midterm Orientation“ in Jerusalem. Um sich über die vielen nachhaltig irritierenden Beobachtungen in den ersten Wochen in Tulkarem, Yanoun, Jericho, Jerusalem, Bethlehem, Hebron und den South Hebron Hills auszutauschen und die Vielzahl widersprüchlicher Eindrücke zu verarbeiten, ist diese Woche sehr willkommen. Aber es stehen nicht nur der Austausch und das Nachdenken über die Erfahrungen der vergangenen Wochen auf dem Programm. Wir werden Gelegenheit haben, unsere Sicht auf die jüdisch-israelische Seite, die bisher an vielen Tagen auf die Wahrnehmung der israelischen Soldaten als Vertreter der Besatzungsmacht reduziert war, ganz wesentlich zu erweitern. So hoffen wir – und wir werden nicht enttäuscht. Über einige unserer Begegnungen in dieser Woche möchte ich berichten.

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„Palästina steh auf“

(Sliman Mansour)

Wenn man in Palästina unterwegs ist, stößt man immer wieder auf die Sperranlage, die Israel und die Westbank voneinander trennt[1]. In Beit Jala, in der Nähe von Betlehem, ist das eine Mauer. Beim Fotografieren der Mauer treffe ich Mohammed (12) und seine Schwester Nadja (16). Die Geschwister führen mich in den Garten der Familie und zeigen mir stolz, was dort alles wächst. Der Garten wird durchschnitten von der Sperrmauer, der beim Bau auch uralte Olivenbäume, die sich seit Generationen im Besitz der Familie befanden, weichen mussten.

Garten der Familie in Beit Jala, im Vordergrund der verwaiste Pferdestall; Foto © EAPPI
Garten der Familie in Beit Jala, im Vordergrund der verwaiste Pferdestall; Foto © EAPPI

Mohammed zeigt mir einen massiven Olivenbaum, der noch immer gefällt unmittelbar neben der Mauer liegt. Im Haus befindet sich ein Haufen bereits zerkleinertes Olivenholz, das von weiteren Bäumen stammt. Mohammed nimmt ein Stück Holz und macht mich auf die feine Maserung aufmerksam. Die Geschwister erzählen, dass die Familie früher ein Pferd besaß, das im Garten weidete. Sie zeigen mir den Pferdestall, neben ihrem Haus. Als die Mauer errichtet wurde, hätten sie auch das Pferd nicht behalten können, es befände sich bei neuen Besitzern auf der anderen Seite der Mauer. Den Geschwistern ist die Empörung deutlich anzumerken.

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Checkpoint 300

Checkpoint 300, auch Gilo Checkpoint – benannt nach der benachbarten jüdischen Siedlung, trennt Bethlehem von Ost-Jerusalem. Der Checkpoint befindet sich auf der 1967 von Israel unilateral erweiterten Verwaltungsgrenze Jerusalems, etwa zwei Kilometer entfernt von der Grünen Linie. Karte ©UNOCHA-OPT
Checkpoint 300, auch Gilo Checkpoint – benannt nach der benachbarten jüdischen Siedlung, trennt Bethlehem von Ost-Jerusalem. Der Checkpoint befindet sich auf der 1967 von Israel unilateral erweiterten Verwaltungsgrenze Jerusalems, etwa zwei Kilometer entfernt von der Grünen Linie. Karte ©UNOCHA-OPT

Niemand macht wohl gerne Dienst um 4 Uhr morgens, erst recht nicht an einem checkpoint und dann auch noch an einem berüchtigten wie dem checkpoint 300[1] zwischen Bethlehem und Jerusalem, gleich neben Rahels Grab[2], wo die Mauer wie wild mäandert. Aber der Wecker meldet sich gnadenlos um 3.30 Uhr, Zeit genug für eine flüchtige Morgenwäsche, Zähneputzen und eine heiße Tasse Tee. Warme Schuhe und Socken sind angesagt, denn im Winter kann es im checkpoint in Bethlehem (800 m) kalt werden. Die Straße vor unserem Haus ist dunkel und menschenleer, doch um die Ecke, auf der Zufahrtsstraße zum checkpoint herrscht schon hektisches Treiben. Ein Taxi nach dem anderen spuckt dunkel gekleidete Männer aus, die zum Eingang des checkpoints eilen, vorbei an den Ständen der Straßenhändler, die im grellen Lichtkegel weniger Arbeitslampen Zigaretten und Kaffee, Fladenbrot und Hummusdosen, Müsliriegel und harte Eier, Süßigkeiten, Früchte oder Tomaten verkaufen. Auch Socken und Ladekabel sind im Angebot. Daneben werden in einem riesigen Kessel Falafelbällchen frittiert. Viele der Männer kommen aus dem Süden der besetzten Gebiete und haben schon eine Stunde Fahrt zum checkpoint hinter sich.

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Das Gewächshaus von An-Nahla

Gelebter Widerstand gegen Verdrängung und Siedlungsausbau

Es hat geregnet in der vergangenen Nacht, aber jetzt herrscht ein strahlend blauer Himmel. Die frühen Sonnenstrahlen lassen auf den Hängen der Judäischen Berge südlich von Bethlehem das üppige Grün der Vegetation glitzern. In wenigen Wochen wird wieder karges Braun die steinigen Höhen dominieren. Wir sind auf dem Weg zu Abu Ahmad in Khirbet An Nahla[1]. Nachdem wir das Dorf durchfahren haben, gräbt sich der Jeep die letzten Kilometer auf dem verschlammten Feldweg langsam und schlingernd seinen Weg; auf den Hügeln ringsum schmucke Häuschen mit roten Ziegeldächern und moderne, weiß getünchte Mietblocks – die jüdischen Siedlungen: Efrat, Givat Hadagan, Neve Daniel. Ein Fußpfad führt uns die letzten Meter am Rande eines Feldes zu dem in einem Bergsattel gelegenen Gewächshaus, nicht weit dahinter auf der felsigen Hügelkuppe sind ein aus Brettern gezimmerter wachturmähnlicher Verschlag, ein Wohncontainer, ein paar Bretterhütten, ein Bulldozer und viele israelische Flaggen zu sehen: Der outpost (Außenposten) Givat Eitam[2].

Abu Ahmads Gewächshaus, auf dem Hügel der Außenposten Givat Eitam; Foto © EAPPI
Abu Ahmads Gewächshaus, auf dem Hügel der Außenposten Givat Eitam; Foto © EAPPI

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Explosiver Alltag – zurückgelassene Munition im Westjordanland

Mehrmals in der Woche begleitet unser Team palästinensische Schafhirten in Mak-hul und Khirbet Samra auf ihrem täglichen Weg durch die Berge. Diese Form der „schützenden Präsenz“ ist notwendig, weil die Schäfer sowohl durch das israelische Militär als auch durch Übergriffe von Siedlern beinahe täglich an ihrer Arbeit gehindert werden.

Für mich ist die Begleitung von Burhan in Mak-Hul und den Brüdern Aiman und Fausi in Khirbet Samra ein besonderes Erlebnis. Wir sind in einer beeindruckenden Berglandschaft unterwegs und um uns herum herrscht eine friedliche Stille, die nur ab und zu von den Glocken der Schafe oder den Schnalzlauten der Schafhirten unterbrochen wird. Doch dann sind in unmittelbarer Nähe plötzlich Schüsse zu hören. Wir laufen weiter und können ein Militärtraining ganz in der Nähe beobachten. Die Soldaten führen Schießübungen durch, die so laut sind, dass wir uns anfangs noch heftig erschrecken. Die Schäfer erklären uns, dass die Übungen hier regelmäßig stattfinden. Wir werden uns an die Geräusche also noch gewöhnen müssen. Wir erfahren von den Schäfern auch, dass nach den Militärtrainings immer wieder explosive Materialien im Gelände zurückgelassen werden.

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Unangenehme Begegnung

Die Übergriffe durch Siedler nehmen in der Westbank zu

Ökumenische Begleiterin beobachtet den Schulweg der Kinder in Tuqu‘, südlich von Bethlehem; Foto © EAPPI
Ökumenische Begleiterin beobachtet den Schulweg der Kinder in Tuqu‘, südlich von Bethlehem; Foto © EAPPI

Zwei israelische Soldaten haben sich auf Felsen am Hang postiert und beobachten gelangweilt die Schulkinder, die sich auf dem steinigen Pfad bergauf zu ihrer Schule bewegen; der dritte Soldat ist im Jeep am Straßenrand sitzen geblieben. Ein zweiter Jeep steht oben auf dem Parkplatz der Grundschule. Es ist ein kühler Wintermorgen und der vorhergesagte sonnige Tag lässt sich durch die feuchten Nebelfetzen nur erahnen. Wir stehen auf der anderen Straßenseite und haben die Wege im Blick, die zur Jungenschule auf der einen Hangseite und zur Mädchenschule und gemischten Grundschule auf der anderen Hangseite führen. In kleinen Gruppen kommen die Kinder aus verschiedenen Richtungen: Kleine Mädchen passieren uns schwatzend und kichernd, winken schüchtern zum Gruß, einige rufen uns ein verschmitztes „Sabach ilcher“ (Guten Morgen) zu und amüsieren sich über unsere (noch) nicht ganz akzentfreie Antwort. Die männlichen Teenies – zumeist mit modischer Undercut-Frisur – schlendern betont lässig an uns vorbei und stellen mit einem fließenden „Good Morning“ ihre Weltläufigkeit unter Beweis, die weiblichen – zumeist in Schuluniform und mit Kopftuch – unterstreichen ihre sprachliche Kompetenz mit der kühnen Frage „How are you?“. Der eine oder andere Lehrer bleibt für ein Schwätzchen stehen und bedankt sich für unsere Anwesenheit.

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M´ai – Ch´ai: Wasser ist Leben

Früh am Morgen treffen wir uns zu mit Elad Orian, dem Leiter der gemeinnützigen israelisch-palästinensischen Organisation „Comet Me“[1], die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Familien in den abgelegenen Dörfern der South Hebron Hills mit Elektrizität aus Sonnenenergie und sauberem Wasser mittels Wasserpumpen und Filteranlagen zu versorgen. Ausgerechnet während dieses Meetings zum Thema Strom und Wasserversorgung erfahren wir durch einen Anruf, dass Wasserleitungen in Masafer Yatta[2], in der Nähe des Dorfes At-Tuwani zerstört werden.

Zerstörung der Wasserleitungen in Masafer Yatta; Foto © EAPPI
Zerstörung der Wasserleitungen in Masafer Yatta; Foto © EAPPI

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