Die Frauen von An Nabi Samwil

Das heutige An Nabi Samwil liegt eingeklemmt zwischen Siedlungen und Trennbarriere; © UNOCHA-OPT Humanitarian Atlas 2019

Das Dorf An Nabi Samwil – Prophet Samuel – liegt auf einem Hügel in der Westbank, etwa vier Kilometer nördlich von Jerusalem. Am höchsten Punkt des Hügels befindet sich ein Grabmal, das dem Propheten Samuel zugeschrieben wird. Hier steht eine Moschee, die zum Teil in eine Synagoge umgewandelt wurde. Ausgrabungen haben ergeben, dass hier bereits ab dem 4. Jahrhundert v.Chr. Menschen gelebt haben.[1] Bis 1971 lag rund um die Moschee das ursprüngliche palästinensische Dorf An Nabi Samwil. Von den etwa 1.000 Einwohner:innen flohen viele im 6-Tage-Krieg. 1971 wurde das Dorf von der israelischen Armee zerstört und die verbliebenen Einwohner:innen umgesiedelt.[2]

Zwischen Siedlungen, Trennbarriere und Nationalpark

Heute läuft man entlang der Trennbarriere, um nach An Nabi Samuel zu gelangen, das versteckt hinter Stacheldrahtzäunen und einem israelischen Wachposten liegt, etwa hundert Meter von seinem ursprünglichen Ort. An Nabi Samwil liegt in der sogenannten „Seam Zone“, zwischen der Trennbarriere, die hier – wie an vielen anderen Stellen – unter Verstoß gegen internationales Recht innerhalb des besetzten Gebiets verläuft, und der „Grünen Linie“, der Waffenstillstandslinie von 1949, die als Verhandlungsgrundlage für eine zukünftige Grenze zwischen Israel und einem palästinensischen Staat gilt. Um in die Westbank zu fahren müssen die Einwohner:innen von An Nabi Samwil den Checkpoint Al Jib passieren. Eine physische Grenze nach Israel gibt es zwar nicht, jedoch droht die Verhaftung, sollten sie sich als Einwohner:innen der Westbank ohne gültige Genehmigung in Israel aufhalten.

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Jabal al Baba – Standhaftigkeit angesichts drohender Umsiedlung

Es ist das zweite Mal, dass wir die Beduinengemeinschaft Jabal al Baba besuchen. Das Dorf  befindet sich auf einem Hügel in der Westbank, zwischen der israelischen Siedlung Ma’ale Adumim und der palästinischen Stadt Al-‘Eizariya. Die Siedlung Ma’ale Adumim wurde 1975 gegründet und befindet sich ca. sieben Kilometer östlich von Jerusalem[1]. Mittlerweile leben hier etwa 38.000 Menschen. Der Bau von Siedlungen und Siedlungsaußenposten in den besetzten palästinensischen Gebieten verstößt gegen humanitäres Völkerrecht.[2]

Jabal al Baba liegt zwischen der völkerrechtswidrigen Siedlung Ma‘ale Adumim und Al Eizariya; © UNOCHA-OPT, Kartenausschnitt aus Humanitarian Atlas 2019

1994, unter dem damaligen Ministerpräsidenten Yitzhak Rabin, wurde der Siedlung das sogenannte „E1“-Gebiet (East 1) zugeschlagen, das die Fläche der Siedlung verdoppelte.[3] Durch internationalen Druck, vor allem seitens der Vereinigten Staaten, konnte die Umsetzung der Baupläne in E1 (etwa 3.500 Wohneinheiten[4])  in den folgenden Jahren verhindert werden. Auch für die EU sind die Bauvorhaben in E1 eine der „roten Linien“, die nicht überschritten werden sollen, da sie die Schaffung eines palästinensischen Staats verhindern würden.[5] Nichtsdestotrotz wurde 2008 das neu gebaute Hauptquartier der israelischen Polizei in E1 eröffnet. 2012 wurde der Planungsprozess für die Bebauung von E1 wieder aufgenommen, u.a. als Reaktion auf die Entscheidung der Vereinten Nationen zur Anerkennung des Staates Palästina als Beobachterstaat. Auch aktuell gibt es wieder Bemühungen, die Planungsverfahren weiter voranzutreiben, eine nächste Anhörung ist laut der israelischen Organisation PeaceNow für Mitte Juli geplant.[6]

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Von Schäfern und Siedlern im Heiligen Land

Wir EAs (Ecumenical Accompaniers oder Ökumenische Begleiter:innen des Ökumenischen Begleitprogramms in Palästina und Israel des Weltkirchenrats) begleiten am Nachmittag in den South Hebron Hills den Schäfer Hajj Jibrin und seine Herde auf seinem Land in der Gegend des Dorfes Qawawis – und in der Nähe des israelischen Siedlungsaußenpostens Avigayil. Ich bin eigentlich Teil des Teams in Bethlehem und nur für drei Tage auf Besuch im Einsatzort in den South Hebron Hills. Ich genieße den Blick über die Hügel in die weite Landschaft, auf die wilden Pflanzen, die rötliche Erde, die mit verschiedenen Flechten überzogenen Felsen und Steine  – und das ruhige, würdevolle Voranschreiten des Schäfers mal hinter, mal inmitten seiner grasenden Schafherde. Auch einige Ziegen sind dabei. Wenn einige Tiere sich zu weit entfernen, hebt er einen der in großer Zahl herumliegenden Steine auf und wirft sie hinter die abseits gebliebenen Schafe – und sie laufen rasch zurück zur Herde. So ziehen wir gemächlich voran, queren auch ein-, zweimal eine schmale Straße. Es ist so friedlich.

Der Kartenausschnitt zeigt palästinensische Gemeinden und israelische Siedlungen in den South Hebron Hills, in der Mitte Qawawis und Avigayil; © UNOCHA-OPT

Doch wir nähern uns langsam dem Sichtbereich des Außenpostens auf dem Hügelkamm. Nicht mehr weit von der Herde entfernt sehen wir in einer Talmulde – nach wie vor auf dem Land von Hajj Jibrin – frisch gepflanzte Olivenbaumschösslinge, geschützt durch eine grüne Plastikumhüllung. Und wir sehen eine sehr westlich wirkende Zweierschiffschaukel aus Holz. Wir erfahren von Hajj Jibrin, dass die Siedler hier am Werk waren und das Land beanspruchen.

Oben auf dem Hügelkamm tauchen plötzlich drei Gestalten auf und beobachten uns  – dann stürmen sie den Hügel hinunter auf uns zu.

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Street und Wall Art in Palästina und Israel

Bewegt man sich in Palästina und Israel, kann man auffallend viel Street und Wall Art entdecken. Vielleicht mag es daran liegen, dass außergewöhnlich viele Mauern eine ausreichend große Fläche dafür bieten.   Elisabeth, April 2022 Ich nehme für das Berliner Missionswerk am Ökumenischen Begleitprogramm in Palästina und Israel (EAPPI) des Ökumenischen Rates der Kirchen teil. Diese Stellungnahme gibt nur meine persönlichen Ansichten wieder, die nicht unbedingt die des Berliner Missionswerks oder des Ökumenischen Rates der Kirchen sind.  

Mehr als ein Langstreckenlauf – der Palästina-Marathon

Fitnessstudio im Freien: Tel Aviv. © WCC-EAPPI

Tel Aviv, die zweitgrößte Stadt Israels, wirkt auf mich wie ein riesiges Fitnessstudio im Freien: Trainierte und gebräunte Israelis wie Internationals in Sport- oder Badesachen joggen, spielen Volleyball oder Fußball am gekämmten Strand. Die Stimmung ist ausgelassen, Musik tönt aus den Lautsprechern der Bars und Cafés der Promenade, die Sonne scheint.

Soldaten in der Zone H2 in Hebron. © WCC-EAPPI

Hebron, die zweitgrößte Stadt in der Westbank, ist da anders:  Wer hier unter freiem Himmel joggen möchte, sollte es sich zweimal überlegen. Ein junger Aktivist der Organisation Palestinian Youth Movement erzählt uns, dass „rennende Palästinenser:innen für israelische Sicherheitskräfte grundsätzlich ein verdächtiges Objekt seien“. In der Zone H2, einst ein wichtiges kommerzielles Zentrum Hebrons und der südlichen West Bank, die seit 1997 von israelischen Sicherheitskräften kontrolliert wird und zum Teil für Palästinenser:innen gesperrt ist[1], geht er erst gar nicht laufen. Seine Kopfhörer lässt er grundsätzlich zuhause, denn „sollte ein Soldat etwas rufen, und ich ihn beim Joggen nicht hören, so könnte dies schlimme Konsequenzen für mich haben…“.

Um gewaltfrei und kreativ auf diese durch die israelische Besatzung eingeschränkte Bewegungsfreiheit der Palästinenser:innen aufmerksam zu machen, welche laut Artikel 13 „Right to Freedom of Movement“ ein Grundrecht der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte[2] ist, starteten drei junge palästinensische und dänische Aktivist:innen 2013 die Graswurzelbewegung Right to Movement (RtM). Noch im selben Jahr organisierten sie den ersten Palästina-Marathon in Bethlehem.

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„Alle Mächte, die die Barmherzigkeit verlieren, haben keine Zukunft“

Das Wohnzelt von Abu Jamal im Jahr 2017, auf den Hügeln im Hintergrund die Siedlungen Ibei Hanahal und Ma’ale Amos; © WCC-EAPPI

Das Beduinendorf Al Ganoub liegt zwischen Hebron und Bethlehem. Hamed Qawasmeh, der Vertreter des Büros des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte für die südliche Westbank hat uns zu einem Besuch dieses Ortes eingeladen. Dieses Mal bin ich mit dem EAPPI-Team aus Hebron unterwegs. Sie sind eigentlich vor allem innerhalb der Stadt tätig. Der Besuch von Al Ganoub im Umland von Hebron ist auch für sie eine besondere Erfahrung.

Al Ganoub liegt zwischen vier Siedlungen; © UNOCHA-OPT Interactive Map

Wir brechen im Regen auf, das vollbesetzte Auto kämpft sich in dichtem Nebel über kurvenreiche Straßen durch Berg und Tal. An einer Tankstelle warten Vertreter der israelisch-palästinensischen Organisation Combatants for Peace auf uns und schließen sich an. Plötzlich sind wir über der Nebelgrenze und überschauen eine karge Hügellandschaft. Eine unbefestigte Straße führt uns auf dem Kamm eines Hügels weiter – vor uns ist nichts zu sehen außer einem roten Schrottauto.

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Wir weigern uns zu hassen

Eigentlich wollten wir schon in unserer ersten Woche in Bethlehem das Friedensprojekt Tent of Nations (Zelt der Völker) nahe dem Dorf Nahalin besuchen. Dabei handelt es sich um ein internationales Begegnungszentrum auf den Ländereien der Familie Nassar im südwestlichen Umland von Bethlehem. Menschen aus Palästina und aller Welt, auch aus Israel, an diesem Ort zusammenzubringen, ist Teil einer eindrucksvollen Strategie gewaltlosen Widerstands. Seit der Jahrtausendwende 2000 finden hier Camps und Workshops statt und helfen Freiwillige beim Aufbau einer Öko-Farm. Widerstanden wird der Enteignung des Familienlandes, die seit 1991 droht.

Tent of Nations: Hinter dem von Freiwilligen angelegten Kräutergarten die Siedlung Neve Daniel; © WCC-EAPPI

Statt vor Ort treffen wir jedoch Daoud Nassar in Bethlehem. Er und sein Bruder wurden am 28. Januar auf der Farm von 15 maskierten Männern überfallen und mit Stöcken und Eisenstangen ernsthaft verletzt. Noch im Krankenhaus erhielten sie zahllose Unterstützungsbriefe und -besuche aus dem nahen Dorf, den Besetzten Gebieten und aus aller Welt. Eine Woche nach dem Überfall erzählt uns Daoud über die Hintergründe. Es ist eine Geschichte wie vom „letzten Dorf in Gallien“ – gar nicht lustig, aber Mut machend:

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„Welcome, welcome to Yatta!“

Leben am Ende der Welt

Stadtzentrum von Yatta in der Abendsonne; © WCC-EAPPI

Welcome, welcome! wird uns entgegengerufen, Autos fahren vorbei und hupen. Die Fahrer winken uns zu, während ich mit einem Kollegen Ende Januar durch die Hauptstraße von Yatta schlendere und im Ali Café Tee trinke. Auch im Süden Palästinas liegen die Temperaturen nahe dem Nullpunkt und wir freuen uns, einen Platz zum Aufwärmen gefunden zu haben. Langsam füllt sich das Café. Wie alle Gäste werden auch wir mit Handschlag begrüßt. Entspannt und ruhig unterhalten sich die Leute und rauchen Shisha. Spätestens unsere Jacken mit der Aufschrift „World Council of Churches – EAPPI” geben zu erkennen, dass wir nicht von hier sind. „Wir sind gekommen, um zu hören, wie es den Menschen hier geht und werden zu Hause davon erzählen“, sagen wir in einem Mix aus Englisch und gebrochenem Arabisch zu unseren beiden Nachbargästen. Bezahlen? Der Cafébesitzer winkt dankend ab und wir versprechen, wiederzukommen.

Mit einem Bus vom Damaskustor in Jerusalem nach Bethlehem und einem Taxi sind wir gekommen, vorbei an Hebron, die Stadt, in der Abraham begraben wurde. Weiter ging´s nach Yatta. Nur zwei Stunden hat es gedauert von Jerusalem bis zur Südgrenze Palästinas.

Ich bin aufgeregt. Angeblich sind wir die ersten ausländischen Besucher in Yatta seit Beginn der Pandemie.

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Strukturelle und physische Gewalt im Jordantal

Die Schafe blöken laut und aufgeregt, die Hühner gackern, der Hahn kräht. Es ist heiß, der Kaffee in dem kleinen Becher in meiner Hand ist sehr stark. Heute empfinde ich die Geräusche der Tiere nicht als idyllisch. Es ist laut. Es mutet fast an, als ob die Tiere versuchen würden, ihren Hirten übertönen zu wollen. Heute sind wir im Jordantal unterwegs, um Übergriffe von Siedlern zu dokumentieren, die sich in der letzten Woche ereignet hatten, während wir uns auf unserem Zwischenseminar befanden.

Eine Gruppe Siedler bedrängt Schäfer und Schafe im Jordantal; Foto © EAPPI
Eine Gruppe Siedler bedrängt Schäfer und Schafe im Jordantal; Foto © EAPPI

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„Darum stehe ich hier“

Das Plädoyer einer Tochter von Holocaustüberlebenden gegen die Gleichgültigkeit und für Solidarität mit den Palästinensern

Ob bei den „Women in Black“ oder bei den Protesten gegen die Zwangsräumung palästinensischer Familien in Sheikh Jarrah: Die israelische Künstlerin Rosemary Solan engagiert sich für ein Miteinander von Israelis und Palästinensern  – und ein zentrales Motiv dafür liegt in den Holocaust-Erfahrungen ihrer Familie.

Seit mehr als zehn Jahren jeden Freitag im palästinensischen Ostjerusalemer Stadtviertel Sheikh Jarrah: Israelis protestieren gegen die Besatzung und für die Zwei-Staaten-Lösung. Foto © EAPPI
Seit mehr als zehn Jahren jeden Freitag im palästinensischen Ostjerusalemer Stadtviertel Sheikh Jarrah: Israelis protestieren gegen die Besatzung und für die Zwei-Staaten-Lösung. Foto © EAPPI

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