Begegnungen mit palästinensischen Frauen und Mädchen

Schülerinnen in der Altstadt von Jerusalem; Foto © WCC-EAPPI

Jeden Tag sehen wir Mädchen und Frauen unterwegs in den Straßen von Ost-Jerusalem: Schülerinnen auf dem Weg zur Schule – meist in kleinen Gruppen zu zweit oder zu dritt, lachend und schwatzend, junge Frauen mit ihren kleinen Kindern, ältere Frauen unterwegs beim Einkaufen, oft mit großen Tüten, Geschäftsfrauen und die alten Bäuerinnen, die am Damaskustor sitzen mit großen Bergen von Weinblättern und Gewürzen, die sie verkaufen. In manchen Restaurants sitzen, nach wie vor, unten im „öffentlichen“ Saal die Männer und im ersten Stock die Frauen und Familien. Dort herrscht meist eine fröhliche lebendige Stimmung. Gestern waren wir in einem schicken Café auf der Terrasse im ersten Stock – zusammen mit vielen jungen Frauen – manche arbeiten an Laptops, manche unterhalten sich, andere rauchen Wasserpfeife.

Auf der Straße kommen wir mit den Frauen kaum ins Gespräch. Ich möchte jedoch mehr erfahren über die Lebenssituation der Frauen hier. Vielfach höre ich, dass palästinensische Frauen einer zweifachen Belastung ausgesetzt sind: durch kulturelle Normen und die Auswirkungen der israelischen Besatzung. Auf der anderen Seite wird mir immer wieder erzählt, dass Frauen das starke Element in der Familie seien.

Bewegungsfreiheit

Die Auswirkungen der Besatzungssituation betreffen nicht selten die Bewegungsfreiheit von Frauen in Palästina. Ich höre immer wieder, dass Frauen mehr zuhause bleiben. Viele Frauen machten sich Sorgen, was bei der Fahrt durch die besetzten Gebiete alles passieren könnte. Viele zögerten, allein die Checkpoints zu passieren.

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Schulkinder vor besonderen Herausforderungen

Eine der ersten Schulen, die wir EAs vom Team Bethlehem besuchten, war die Al Minya Schule im gleichnamigen Dorf. Das Vorgängerteam hatte uns berichtet, dass es dort oft Schikane der Kinder durch Siedler gegeben hatte und schützende Präsenz durch EAs dringend notwendig sei und von der Schule ausdrücklich gewünscht werde. Auch israelische Soldat:innen seien regelmäßig präsent und sogar schon in die Schule eingedrungen.

Al Minya (hier al-Maniyah) liegt zu beiden Seiten der Umgehungsstraße, in der Nähe der Siedlungen Tekoa und Ma’ale Amos mit ihren jeweiligen Außenposten. Karte © B’Tselem https://www.btselem.org/map

Die Schule liegt direkt an einer viel (und schnell) befahrenen Umgehungsstraße, die auch von Siedler:innen genutzt wird, im C-Gebiet der Westbank[1] und in der Nähe der israelischen Siedlungen Ma’ale Amos und Tekoa. Wir kommen an verschiedenen Tagen je zweimal zu den kritischen Zeiten, zu Schulbeginn und zu Schulende, um sogenannte schützende Präsenz zu zeigen. Im Ramadan beginnt die Schule erst um 9 Uhr und endet um 11 Uhr. Als der Monat des Ramadan Anfang Mai zu Ende ist, findet der Unterricht von 7.45 bis 10.10h statt, die Lehrer:innen bleiben bis 11 Uhr.  Der Unterricht ist während der gesamtem Zeit unseres Einsatzes verkürzt: die Lehrer:innen der öffentlichen Schulen befinden sich im Streik, da sie seit fünf Monaten kein oder ein reduziertes Gehalt bekommen haben.

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Das Recht wird in der Wüste wohnen und Gerechtigkeit im fruchtbaren Lande

Die Gegend von Masafer Yatta ganz im Süden Palästinas ist von unvergleichlicher Schönheit. Wir Ökumenische Begleiter übernachten bei Vollmond und sternenklarer Nacht bei Schäfer Hajj Ali Jabareen in Mantiqat Shib al Butum und genießen die himmlische Ruhe. Kein Siedler hat die Familien in der Nacht gestört wie eine Woche zuvor, nur die Hunde haben um zwei Uhr in angeschlagen und sich dann wieder beruhigt. Um fünf bin ich ausgeschlafen und gehe ins Freie. Ich bin ergriffen von dem atemberaubenden Blick auf das Jordantal bei Sonnenaufgang.

Morgendämmerung über dem Jordantal – ein atemberaubender Anblick! Blick von Mantiqat Shib al Butum kurz vor Sonnenaufgang Foto © WCC-EAPPI

Naturschutz oder Landnahme?

Die Halbwüste erwacht – Wilde Iris im Dorf Zanuta; Foto © WCC-EAPPI

Mitte März erleben wir, wie die Halbwüste erwacht: Krokusse, Iris, Tulpen und Zwerghyazinthen erblühen und gelb überzogen ziehen sich die Getreidefelder in den Tälern dahin. Auf den Weizen- und Haferfeldern stehen Senfpflanzen in voller Blüte. Die Distelart A´koub (lat. Gundelia Tournefortii) wächst hier überall zwischen Steinen und Felsbrocken, zwischen Getreide und Olivenhainen. Solange der Stängel noch saftig ist, kann sie gegessen werden und schmeckt wie Artischocke. Im Frühling wird die Pflanze deshalb schon seit biblischen Zeiten[1] eifrig gesammelt und gekocht. In der gehobenen Küche wird das Wildgemüse sehr geschätzt, der Preis ist hoch: 40 Schekel (11,30€) kostet das Kilo auf dem Markt in Jerusalem, erheblich mehr als das Frühlingsgemüse aus den Gewächshäusern. Für die Bewohner:innen der Beduinendörfer ist der Verkauf dieser Delikatesse eine wichtige Einnahmequelle im Frühjahr.

Das Wildgemüse A’koub im Dorf Umm al-Amad; Foto © WCC-EAPPI

Anfang März erfahren wir in Susiya, dass tags zuvor Siedler auf palästinensisches Weidegebiet eingedrungen sind und Kindern zwei Körbe voll A´koub entrissen haben, die sie mühevoll gesammelt hatten. Ende März erzählt uns eine Frau aus Jinba, dass ein israelischer Naturschützer von einem Hügel aus regelmäßig die Gegend mit einem Fernglas nach Sammler:innen von A´koub absucht und auch tags zuvor zwanzig Minuten lang auf dem Berg gesessen habe. Falls die Polizei komme, sei eine Strafzahlung von 1.130 Schekel (325 Euro) fällig, da es sich um ein von Israel zum Naturreservat erklärtes Gebiet handele. Israel hat seit 1967 etwa 13% der Westbank zu Naturschutzgebieten erklärt[2]. Seither können Schäfer:innen die Flächen nicht mehr für Weidegänge nutzen, ist das Sammeln von Pflanzen wie A´koub unter Strafe gestellt – und auf diese Weise wird der Druck auf die Menschen in Dörfern wie Jinba größer, ihre traditionelle Lebensweise aufzugeben und anderweitig ihr Geld zu verdienen.

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„Diese Internationals tragen zur Deeskalation bei“

Tritte und Schläge, Beleidigungen und Arrest – der Lehrer Bassam Khalil erlebt rund um seine Schule in der Altstadt von Jerusalem fast täglich Übergriffe israelischer Sicherheitskräfte gegen seine Schüler – und schätzt daher die Präsenz von Ökumenischen Begleiter*innen auf den Wegen zur Schule.

Bassam Khalil vor der Schule in Jerusalems Altstadt. Foto © EAPPI
Bassam Khalil vor der Schule in Jerusalems Altstadt. Foto © EAPPI

Wenn Bassam Khalil morgens vor dem altehrwürdigen Tor seiner Schule steht, ein Teeglas in der Hand, mal mit ernstem Blick auf die Uhr schauend, meist aber lächelnd, dann wirkt er gelassen, ruhig und entspannt. Dabei steht er im Zentrum eines Spannungsfeldes. Denn er gehört zum Leitungsteam der Dar-al-Aytam-Schule. Und die 15- bis 17-jährigen Schüler dieser einzigen Sekundarschule für Jungen in der Altstadt von Jerusalem sind besonders im Visier der israelischen Sicherheitskräfte.

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„Ich bin so froh, dass ihr hier seid“

Silwan – Fundstätte der ältesten Zeugnisse menschlicher Siedlungen in Jerusalem – Ort der Verdrängung von Palästinensern

Zu viele Häuser, zu wenig Geschichte? Teile von Silwan sollen der „City of David“ weichen. Foto © EAPPI
Zu viele Häuser, zu wenig Geschichte? Teile von Silwan sollen der „City of David“ weichen. Foto © EAPPI

„Hello, my name is Mara“, sagt die jüngste Gastgeberin dieses Treffens in ziemlich perfektem Englisch und mit strahlenem Lachen. Mara, dieser Name steht im Arabischen für  Freude. Und tatsächlich leuchten die Augen der Teenagerin, als sie den Ökumenischen Begleiter*innen des Weltkirchenrats ihre Fotos von Tanzstunden im palästinensischen Dabke-Tanz zeigt.

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Unangenehme Begegnung

Die Übergriffe durch Siedler nehmen in der Westbank zu

Ökumenische Begleiterin beobachtet den Schulweg der Kinder in Tuqu‘, südlich von Bethlehem; Foto © EAPPI
Ökumenische Begleiterin beobachtet den Schulweg der Kinder in Tuqu‘, südlich von Bethlehem; Foto © EAPPI

Zwei israelische Soldaten haben sich auf Felsen am Hang postiert und beobachten gelangweilt die Schulkinder, die sich auf dem steinigen Pfad bergauf zu ihrer Schule bewegen; der dritte Soldat ist im Jeep am Straßenrand sitzen geblieben. Ein zweiter Jeep steht oben auf dem Parkplatz der Grundschule. Es ist ein kühler Wintermorgen und der vorhergesagte sonnige Tag lässt sich durch die feuchten Nebelfetzen nur erahnen. Wir stehen auf der anderen Straßenseite und haben die Wege im Blick, die zur Jungenschule auf der einen Hangseite und zur Mädchenschule und gemischten Grundschule auf der anderen Hangseite führen. In kleinen Gruppen kommen die Kinder aus verschiedenen Richtungen: Kleine Mädchen passieren uns schwatzend und kichernd, winken schüchtern zum Gruß, einige rufen uns ein verschmitztes „Sabach ilcher“ (Guten Morgen) zu und amüsieren sich über unsere (noch) nicht ganz akzentfreie Antwort. Die männlichen Teenies – zumeist mit modischer Undercut-Frisur – schlendern betont lässig an uns vorbei und stellen mit einem fließenden „Good Morning“ ihre Weltläufigkeit unter Beweis, die weiblichen – zumeist in Schuluniform und mit Kopftuch – unterstreichen ihre sprachliche Kompetenz mit der kühnen Frage „How are you?“. Der eine oder andere Lehrer bleibt für ein Schwätzchen stehen und bedankt sich für unsere Anwesenheit.

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Target – für Freiheit, Gerechtigkeit und Gleichberechtigung

Familien beim Drachenfestival in Burin © TRDA
Familien beim Drachenfestival in Burin © TRDA

“Gib einem Menschen einen Fisch, und du ernährst ihn einen Tag, lehre ihn das Fischen, und du ernährst ihn ein Leben lang“. Für Ghassan, Mitbegründer der Organisation Target (Target Association for Rural Development)[1], ist dies ein zentrales Motto in seiner täglichen Arbeit mit den Jugendlichen in seiner Heimat Burin, einem Dorf südlich von Nablus.

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Nawal hat es geschafft: Eine Schule für Al Jiftlik

Nach einem Treffen mit Nawal, einer Englischlehrerin in Al Jiftlik (Jordantal)[i], waren wir voller Hoffnung, weshalb ich dieses Interview gerne teilen würde. Diese beeindruckende Frau zeigt, dass ein Festhalten an der Vision von Frieden und einem Ende der Besatzung möglich ist, und sie kann uns allen Hoffnung geben.

Karte © UNOCHA. In unmittelbarer Nähe der Gemeinde Al Jiftlik befindet sich eine große israelische Militärbasis (grau), Trainings- und Schießgelände (grau gepunktet), mehrere israelische Siedlungen (weinrot) und der Checkpoint Hamra (blau).
Karte © UNOCHA. In unmittelbarer Nähe der Gemeinde Al Jiftlik befindet sich eine große israelische Militärbasis (grau), Trainings- und Schießgelände (grau gepunktet), mehrere israelische Siedlungen (weinrot) und der Checkpoint Hamra (blau).

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Wir rennen für unsere Freiheit

Läufer*innen aus Palästina beim Marathon in
Läufer*innen aus Palästina beim Marathon in Kopenhagen

Wir schreiben den 18. Oktober, die neuen Ökumenischen Begleiter*innen (EAs) der Gruppe 58 haben sich zwischenzeitlich in ihren 6 Einsatzorten im Westjordanland und Ostjerusalem eingefunden. Doch der 18. Oktober markiert auch eine andere, alarmierende Marke. So sind seit Monatsbeginn 7 Israelis und 40 Palästinenser ums Leben gekommen.

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