„Welcome, welcome to Yatta!“

Leben am Ende der Welt

Stadtzentrum von Yatta in der Abendsonne; © WCC-EAPPI

Welcome, welcome! wird uns entgegengerufen, Autos fahren vorbei und hupen. Die Fahrer winken uns zu, während ich mit einem Kollegen Ende Januar durch die Hauptstraße von Yatta schlendere und im Ali Café Tee trinke. Auch im Süden Palästinas liegen die Temperaturen nahe dem Nullpunkt und wir freuen uns, einen Platz zum Aufwärmen gefunden zu haben. Langsam füllt sich das Café. Wie alle Gäste werden auch wir mit Handschlag begrüßt. Entspannt und ruhig unterhalten sich die Leute und rauchen Shisha. Spätestens unsere Jacken mit der Aufschrift „World Council of Churches – EAPPI” geben zu erkennen, dass wir nicht von hier sind. „Wir sind gekommen, um zu hören, wie es den Menschen hier geht und werden zu Hause davon erzählen“, sagen wir in einem Mix aus Englisch und gebrochenem Arabisch zu unseren beiden Nachbargästen. Bezahlen? Der Cafébesitzer winkt dankend ab und wir versprechen, wiederzukommen.

Mit einem Bus vom Damaskustor in Jerusalem nach Bethlehem und einem Taxi sind wir gekommen, vorbei an Hebron, die Stadt, in der Abraham begraben wurde. Weiter ging´s nach Yatta. Nur zwei Stunden hat es gedauert von Jerusalem bis zur Südgrenze Palästinas.

Ich bin aufgeregt. Angeblich sind wir die ersten ausländischen Besucher in Yatta seit Beginn der Pandemie.

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„Gott sei Dank seid ihr zurück!“

Am Morgen nach dem Schneesturm; © WCC-EAPPI

Schneefall in Jerusalem! Laut Jack, unserem Vermieter am Fuß des Ölbergs, lag der letzte Schneefall drei Jahre zurück. So lange hat es – Gott sei Dank! – nicht gedauert, bis die ersten internationalen Begleiter:innen – Ecumenical Accompaniers (EAs) – nach der Corona-Zwangspause wieder nach Palästina/Israel einreisen konnten. Doch fast zwei Jahre „Eingefrorensein“ für das Ecumenical Accompaniment Programme in Palestine and Israel (EAPPI) des Ökumenischen Rates der Kirchen sind doch eine für viele schmerzlich empfundene „verdammt lange“ Zeit.

Seit Mitte Januar sind wir EAs nun wieder im Lande, seit einer Woche an unseren Einsatzorten – Jerusalem, Bethlehem, Hebron und Yatta – und versuchen nun wieder anzufangen, wo unsere Vorgänger:innen im März 2020 abrupt aufhören mussten, und das Begleitprogramm wieder hochzufahren.

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Gedanken und Fürbitte zur Olivenernte 2021 in Palästina

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Barmherziger Gott, lass uns die Bauern und Bäuerinnen in Palästina sehen und dafür eintreten, dass sie die Früchte ihrer Bäume und ihrer Arbeit ernten können, so wie das bei uns selbstverständlich ist. Wir bitten Dich, Herr erbarme Dich!

Wir bitten Dich für Israelis und Palästinenser*innen, die in diesem Jahr trotz zahlreicher Beschränkungen in die Dörfer der Westbank fahren werden, um bei der Ernte zu helfen: Schenke Ihnen Mut, Energie und Erfahrungen des friedlichen Miteinanders, die sie in ihrem Engagement für einen gerechten Frieden bestärken sollen. Wir bitten Dich, Herr erbarme Dich!

Lass unsre Regierenden deutlicher sein in ihrem Bemühen um ein Ende der israelischen Besetzung der palästinensischen Gebiete, damit alle Menschen im Heiligen Land ohne Anfeindungen, ohne Angst voreinander und im Frieden arbeiten und ernten können! Wir bitten, Herr erbarme dich!

Eine Handvoll Oliven bei der Ernte nahe Ramallah; Foto © EAPPI

Von Ende September bis Mitte November findet in Palästina traditionell die Olivenernte statt. Es gibt mehr als 10 Millionen Olivenbäume im Westjordanland, bis zu 100.000 Familien sind zur Sicherung ihres Lebensunterhalts auf die Olivenernte angewiesen. Die Ernte ist harte Arbeit, aber auch ein gesellschaftliches Ereignis. Familien treffen sich in den Olivenhainen, das Lachen von Kindern erklingt ebenso wie die Geschichten der Großmütter und Urgroßväter.

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Konflikte kennen keine Quarantäne

Zur Situation in der Westbank

Geschrieben Anfang Mai 2020

Friederike: Ich bin wütend. Der Konflikt macht auch trotz Pandemie keine Pause. Weiterhin blinkt alle paar Minuten mein Handy auf und berichtet entweder, um wie viel die Zahl der Covid- 19 Infizierten in Gaza, der Westbank und Israel gestiegen ist oder an welchen Orten in den C-Gebieten der Westbank, trotz Corona, weiterhin Häuser zerstört werden, Menschen ihr Obdach verlieren, Materialien im Kampf gegen Corona von den israelischen Behörden konfisziert werden oder Siedler gewaltvoll auftreten[1].

EAs begleiten Schäfer bei ihrem Weidegang im Jordantal; Foto EAPPI

Seit drei Monaten bin ich zurück aus meinem Einsatz im Jordantal. Eigentlich wollte ich meinen letzten Blogartikel Hauszerstörungen und Konfiszierungen in Ras Ein Al Auja Anfang Januar widmen. Es war der gewalttätigste Vorfall, den ich in meinen drei Monaten als EA im Jordantal miterlebt habe.

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Es ist Halbzeit – Zeit für neue und andere Perspektiven

„Höre Israel, der Ewige ist unser G-tt, der Ewige ist einzig. Gelobt sei der Name der Herrlichkeit Seines Reiches für immer und ewig.“

– Schma Jisrael, jüdisches Glaubensbekenntnis

Die erste Februarwoche war dem I in EAPPI gewidmet. Im Rahmen unseres Zwischenseminars erhielten wir einen Einblick in die facettenreiche israelische Gesellschaft. Wir besuchten Yad Vashem, fuhren nach Haifa, trafen Vertreter*innen israelischer Menschenrechtsgruppen und jüdischer Gemeinden. Von zwei Begegnungen in dieser Woche möchte ich heute berichten.

Nava, Aktivistin

Nava nach ihrem Vortrag; Foto © EAPPI
Nava nach ihrem Vortrag; Foto © EAPPI

Wir treffen Nava, geboren in den USA und mit 12 Jahren nach Israel immigriert. Nava beschreibt sich selbst mit folgenden Stichworten: Orthodox, weiblich, Ehefrau, Mutter, Aktivistin, Zionistin, Feministin, sie liebt es bunt.  Orthodoxes Judentum bedeutet für sie, dass man koscher lebt, den Schabbat und die jüdischen Gesetze (Halacha) einhält. Ganz konkret bezeichnet sie sich als national-religiös (Dati Leumi), eine Ideologie, die orthodoxes Judentum und Zionismus kombiniert. Sie vertritt damit ungefähr die Ideologie, die auch durch die Siedler vertreten wird, und ist damit eher im rechten politischen Spektrum zu verorten.

„Ich möchte nicht, dass wir Besatzer sind, aber ich möchte auch ein sicheres Leben für mich und meine Familie.“ Nava hat nicht in der Armee gedient, sondern drei Jahre lang als Freiwillige im Gesundheitswesen gearbeitet[1]. Heute bereut sie diese Entscheidung und wünscht sich, dass ihre Kinder später der Armee beitreten werden. „Ich glaube nicht, dass die israelische Armee Menschenrechtsverletzungen begeht, nur weil sie es kann, sie tut es, wenn überhaupt, nur um die Sicherheit zu gewährleisten.“

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Siedlungen – Aktuelle Entwicklungen in Bethlehem

Seit fast zwei Monaten bin ich nun in Bethlehem. Siedlungen gehören hier zum Alltag, sie sind einfach überall zu sehen. Im Westjordanland gibt es nach aktuellen Angaben der israelischen Organisation PeaceNow[1] 253 Siedlungen und Außenposten. Etwa 430.000 Siedler*innen leben heute im Westjordanland[2].

Die ersten Siedlungsprojekte wurden bereits im September 1967 gestartet. Alle israelischen Siedlungen in den besetzten palästinensischen Gebieten werden jedoch vom überwiegenden Teil der internationalen Gemeinschaft als völkerrechtswidrig angesehen, gemäß Artikel 49 der IV. Genfer Konvention: ‚Die Besetzungsmacht darf nicht Teile ihrer eigenen Zivilbevölkerung in das von ihr besetzte Gebiet deportieren oder umsiedeln.‘ [3]

In meiner Zeit hier habe ich erlebt und gelernt, dass es verschiedene Stufen bei der Entstehung bzw. dem Ausbau einer Siedlung gibt. Es gibt Siedlungen und Siedlungsausbauprojekte, die ganz offiziell von staatlicher Seite geplant und durchgeführt werden. Oft werden dann schon bestehenden Siedlungen große neue Stadtteile hinzugefügt. Die Siedlung Beitar Illit mit etwa 55.000 Einwohner*inne4 ganz im Westen des Verwaltungsbezirks Bethlehem ist ein Beispiel dafür.

Das palästinensische Dorf Wadi Fukin, im Hintergrund der Ausbau der Siedlung Beitar Illit; Foto © EAPPI
Das palästinensische Dorf Wadi Fukin, im Hintergrund der Ausbau der Siedlung Beitar Illit; Foto © EAPPI

Oft beginnt aber auch alles damit, dass Siedler*innen Schafe, Ziegen oder andere Nutztiere  immer wieder an einer bestimmten Stelle grasen lassen, schließlich einen Zaun um dieses Stück Land ziehen und provisorische Ställe für die Tiere errichten.

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Die Zerstörung der Lebensgrundlage

Wir waren gerade von der morgendlichen Begleitung von Kindern auf ihren Schulwegen zurückgekehrt und hatten begonnen, unseren Bericht darüber zu schreiben. Da klingelte mein Handy und uns wurde mitgeteilt, dass in einem Dorf außerhalb Bethlehems in der vergangenen Nacht zwei Straßen durch das israelische Militär zerstört worden waren. Einige Nachrichten und Anrufe später erfuhren wir, dass in der letzten Nacht insgesamt sogar drei Zerstörungen stattgefunden hatten. Nachdem wir die Zerstörung der beiden Straßen dokumentiert hatten machten uns auf den Weg zu einer Familie, deren Tierhaltung vollständig zerstört worden war.

Mohammed, der älteste Sohn der Familie, erzählt mir was letzte Nacht geschehen ist; Foto © EAPPI
Mohammed, der älteste Sohn der Familie, erzählt mir, was letzte Nacht geschehen ist; Foto © EAPPI

Direkt nach unserer Ankunft berichten uns die Familienmitglieder: In der vergangenen Nacht gegen 03:30 Uhr kam das israelische Militär mit zwei Bulldozern auf das Land der Familie. Die Bulldozer zerstörten das Zelt, in dem die Hühner gehalten wurden, den Taubenschlag, einen Überseecontainer, in dem das Futter der Tiere lagerte und mehrere Futter- und Wassertröge für die Schafe. Das Wohnhaus blieb unversehrt.

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„Wir wollen einfach nur unser Land bewirtschaften. Wo liegt das Problem?“

Zerstörungen, Konfiszierung und Landwirtschaftsverbot im Jordantal

Zerstörter Wassertank nahe der Stadt Tubas; Foto © EAPPI
Zerstörter Wassertank nahe der Stadt Tubas; Foto © EAPPI

Als wir Mahyoub an diesem Tag in seinem Haus am Stadtrand von Tubas treffen, erzählt er uns, dass er eigentlich nicht in der Stimmung ist, zu seinen Gewächshäusern zu gehen. Es gibt kein Wasser. Er ist niedergeschlagen. Am Vortag wurden zwei Wasserspeicher nahe Tubas von den israelischen Behörden zerstört. Der eine war nach der letzten Zerstörung im Oktober wieder aufgebaut worden und in Betrieb, der andere war fast fertiggestellt. Bei letzterem handelte sich um ein gemeinsames Projekt der Hilfsorganisation Oxfam und dem Verband der Landwirte vor Ort, finanziert von SIDA, der staatlichen schwedischen Agentur für Internationale Entwicklungszusammenarbeit[1].

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„Dieses Land ist in meinem Herzen eingeschrieben“

In Galiläa besuchen Ökumenische Begleiter*innen ein im israelischen Unabhängigkeitskrieg zerstörtes christlich-muslimisches Dorf – und sprechen mit einem Zeitzeugen der damaligen Ereignisse

Die griechisch‐orthodoxe Kirche von Ma’Alul; Foto @EAPPI
Die griechisch‐orthodoxe Kirche von Ma’Alul; Foto @EAPPI

Der sandige Weg schwingt sich in weiten Bögen den bewaldeten Hang hinauf und führt mitten durch einen Pinienwald an zwei Kirchen vorbei. Wer dem Weg bis zum hohen Stacheldrahtzaun eines militärischen Sperrgebiets folgt, ist schon zu weit gewandert. Denn bei den beiden Kirchen im Wald, genau da lag einmal das palästinensische Dorf Ma’Alul.

Dort ist Abu Jad Saba Yosef Salem 1924 zur Welt gekommen, als damals jüngster Einwohner eines Ortes, dessen Anfänge Jahrhunderte, vielleicht sogar bis in biblische Zeiten zurückreichen[1].

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Strukturelle und physische Gewalt im Jordantal

Die Schafe blöken laut und aufgeregt, die Hühner gackern, der Hahn kräht. Es ist heiß, der Kaffee in dem kleinen Becher in meiner Hand ist sehr stark. Heute empfinde ich die Geräusche der Tiere nicht als idyllisch. Es ist laut. Es mutet fast an, als ob die Tiere versuchen würden, ihren Hirten übertönen zu wollen. Heute sind wir im Jordantal unterwegs, um Übergriffe von Siedlern zu dokumentieren, die sich in der letzten Woche ereignet hatten, während wir uns auf unserem Zwischenseminar befanden.

Eine Gruppe Siedler bedrängt Schäfer und Schafe im Jordantal; Foto © EAPPI
Eine Gruppe Siedler bedrängt Schäfer und Schafe im Jordantal; Foto © EAPPI

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