Mantiqat Shi´b al Butum – Ein Dorf bedrängt von Siedlungsaußenposten

Das palästinensische Dorf Mantiqat Shi’b al Butum liegt ganz im Süden der Westbank zwischen den Außenposten Avogayil und Mitzpe Yair; Kartenausschnitt © B’Tselem; https://www.btselem.org/map

Mantiqat Shi‘b al Butum liegt in Masafer Yatta[1], einer ländlichen Gegend ganz im Süden der Westbank, am Rande der Wüste. Teile des Gebiets wurden von Israel zum aktiven militärischen Übungsgelände (Firing Zone 918) erklärt, ungeachtet dessen, dass dort mehr als 1.300 Menschen leben. Über 1.000 von ihnen sind akut von Zwangsräumungen bedroht. Mantiqat Shi’b al Butum liegt zwar nicht in der Firing Zone, hat jedoch als palästinensisches Dorf in der vollständig von Israel kontrolliert Zone C der Westbank immer wieder mit Zerstörungen von Wohngebäuden und Infrastruktur und in den letzten Jahren zunehmend mit den Auswirkungen neuer Siedlungsaußenposten zu kämpfen, die in der Nähe des Dorfes entstanden sind.

Wir fahren nach Shi‘b al Butum, um die Nacht bei einer Familie zu verbringen, die sich von Siedlern des angrenzenden Außenpostens Avigayil bedroht fühlt. Auf dem Weg erhalten wir einen Anruf von einem unserer Kontakte in der Region: In der Nähe des Dorfes habe die Armee soeben einen Traktor beschlagnahmt. Tatsächlich kommen uns unmittelbar nach dem Anruf zwei Armeefahrzeuge mit dem konfiszierten Traktor entgegen. Wir fahren zum Ort des Geschehens. Der Sohn des betroffenen Farmers erzählt uns, dass sein Vater festgenommen und der Traktor von der Armee beschlagnahmt wurde. Die Armee habe die Festnahme damit begründet, dass der Farmer Land gepflügt habe, das zum militärischen Übungsgelände gehöre. Die Familie pflüge jedoch schon seit 30 Jahren auf diesem Land, das in ihrem Besitz sei, so der Sohn des Farmers. Er ist sichtlich betroffen und verzweifelt. Sein Vater ist im Gefängnis, der Traktor beschlagnahmt – und das genau in der Pflanzzeit. Das Land ist steinig und trocken. Jetzt – zu Beginn der Regenzeit – ist es wichtig, dass es gepflügt wird. Der Sohn hat Sorge, dass sie am Ende ihr Land vielleicht sogar verlieren könnten, denn Land, das über mehrere Jahre nicht bearbeitet wird, kann zu israelischem Staatsland erklärt und somit enteignet werden. Wir nehmen Kontakt zur israelischen Menschenrechtsorganisation B‘Tselem auf, die sich um Unterstützung des Farmers bemühen wird.

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Einsatz für den Frieden

Begegnungen mit dem Parents Circle – Families Forum und Breaking the Silence

Im Rahmen meines Einsatzes erlebte ich bei unseren Aktivitäten bisher nahezu täglich israelische Siedler und Soldaten oder erhalte brandaktuelle Meldungen im Zusammenhang mit deren Anwesenheit in der Region Bethlehem. In ausnahmslos allen Fällen waren es bedrückende, wenn nicht gar bedrohliche Informationen und Erlebnisse. Wie wichtig ist es da, auch einer „anderen Seite“ der israelischen Gesellschaft zu begegnen: Menschen ohne Uniform, Menschen mit einer kritischen Einstellung zu Konflikt und Besatzung, Friedensaktivist:innen. Von zwei solcher Begegnungen möchte ich berichten.

Während unseres Zwischenseminars steht Ben Kfir aus Ashkelon vor uns, und ich spüre ein innerliches Aufatmen und eine wachsende Faszination, je länger ich seinem Vortrag folge. Ben ist Mitglied des Parents Circle – Families Forum (PCFF), einer gemeinnützigen israelisch-palästinensischen Organisation von über 600 Familien, die im Konflikt ein oder mehrere Familienmitglieder verloren haben. Die Organisation steht für die feste Überzeugung, dass Versöhnung zwischen den Völkern unabdingbare Voraussetzung für einen dauerhaften Frieden in Israel und Palästina ist. Im Rahmen ihrer Versöhnungsarbeit veranstalten Mitglieder des PCFF u. a. nationale und internationale Treffen, Sommer-Friedenslager für Jugendliche, besuchen Dörfer, die von Siedlerübergriffen betroffen sind und haben eine Frauengruppe gegründet. Außerdem gehört die Organisation zu den Co-Koordinatoren des jährlich stattfindenden israelisch-palästinensischen Gedenktages für die Opfer beider Seiten[1]. Die wohl wichtigsten und ältesten Aktivitäten der Gruppe aber sind die der sogenannten „dialogue meetings“: Zwei Mitglieder des Parents Circles, Israeli:n und Palästinenser:in, treffen Jugendliche oder Erwachsene, erzählen ihre persönlichen Geschichten des Verlusts und erklären, wie und warum sie sich – gemeinsam – für Versöhnung einsetzen.

Screenshot der sehr empfehlenswerten Parents Circle Webseite https://www.theparentscircle.org/en/pcff-home-page-en/

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Besuch im Aida Refugee Camp

Das Aida Refugee Camp ist eines von drei Flüchtlingslagern in Bethlehems Stadtgebiet. Im Norden und Osten grenzt es an die Mauer, im Süden und Westen an die Stadt Beit Jala. Im Aida Camp leben heute etwa 5.500 Menschen auf einer Fläche von 0,071 km². Es wurde 1950 für Flüchtlinge aus 35 Dörfern der Region Jerusalem und Hebron gegründet.[i]

Blick vom Dach des AYC auf die Mauer; © WCC-EAPPI/Dorothee

Das Aida Camp ist aus verschiedenen Gründen ein Hotspot. An zwei Seiten wurde die Mauer direkt an das Camp herangebaut. Unmittelbar hinter der Mauer am östlichen Rand des Camps liegt eine der heiligsten Städte des Judentums und des Islam, das Grab von Rachel, Frau des Erzvaters Jakob. Rachels Grab wird heute vor allem von jüdischen Pilgergruppen besucht. Der Ort ist seit Bau der Sperranlage vollständig von der Mauer umschlossen und nur noch aus Richtung Jerusalem zugänglich, obwohl er sich auf Bethlehemer Land befindet. Die Heiligen Stätte und die Sperranlage um die herum ist streng militärisch bewacht.

An diesem Abschnitt der Mauer kommt es häufig zu Übergriffen der Armee und Zusammenstößen zwischen Soldaten und Anwohnern. Es ist – leider – nicht ungewöhnlich, dass wir auf dem Weg vom oder zum Stadtzentrum Rauchwolken aus dem Camp emporsteigen sehen. Was wir andernorts als „incident“ (Zwischenfall) protokollieren und dokumentieren würden, ist hier beinahe schon an der Tagesordnung und geht zumeist im allgemeinen Geschehen unter. In der Adventszeit werden wir aber doch um ein Treffen gebeten, nachdem ein Jugendzentrum im Camp direkt von einem solchen Vorfall betroffen war.

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Bleiben – auch wenn ein normales Leben unmöglich gemacht wird

Seam zone im äußersten Süden der Westbank mit dem palästinensischen Dorf A Seefer und den israelischen Siedlungen Metzadot Yehuda und Nof Nesher sowie dem Beit Yatir Checkpoint; Karte © UNOCHA-OPT, Ausschnitt aus „West Bank Access Restrictions June 2020“

Wir besuchen die Familie von Ahmed* und Yasmin*. Sie leben mit ihren Kindern in dem kleinen Dorf A Seefer, das von der Siedlung Metzadot Yehuda und dem Außenposten Nof Nesher umgeben ist.

A Seefer und die Siedlungen liegen in der sogenannten seam zone[1], dem Teil der Westbank, der zwischen der sogenannten Grünen Linie (der Waffenstillstandslinie von 1949) und der seit 2002 in Bau befindlichen israelischen Sperranlage liegt, die zu etwa 65% fertiggestellt ist. Die Sperranlage verläuft zu etwa 85% auf palästinensischem Gebiet, weshalb nach UN-Angaben heute etwa 11.000 Palästinenser:innen in der seam zone leben[2], dafür jedoch spezielle Genehmigungen benötigen. Palästinenser:innen aus weiteren 150 Gemeinden besitzen Land in der seam zone, das sie, wenn überhaupt, nur noch eingeschränkt und nur mit gültigem Passierschein erreichen können.[3]

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Keine Hoffnung auf einen sicheren Zugang zu Bildung?

Vor einer Woche besuchten wir das kleine, südlich von Hebron gelegene Dorf Isfay al Fauqa, weil die gerade erst mit internationalen Hilfsgeldern gebaute Dorfschule einen Abrissbefehl erhalten hatte.

Bei unserem ersten Besuch finden noch letzte Malerarbeiten an der neuen Grundschule von Isfay al Fauqa statt; © WCC-EAPPI/Christiane

Ein Militärfahrzeug der israelischen Zivilverwaltung traf am Tag zuvor ein und die Soldaten befestigten den Abrissbefehl an der Schulmauer. Diese Anordnung sollte nach 96 Stunden in Kraft treten. Die Schule besteht aus 6 Klassenzimmern, einer Toilette, einem Lehrerzimmer und einem Büro des Direktors. Die Bauarbeiten sind fast abgeschlossen und die Schüler:innen bereits eingezogen. In dem Dorf gab es bisher keine Schule. Die neue Einrichtung wird von 22 Schülerinnen und Schülern der Klassenstufen 1 bis 4 besucht.

Wir treffen Miriam und ihre sieben Kinder in ihrem Haus. Sie erzählen uns, dass die neu gebaute Schule für Kinder im Alter von 5 bis 10 Jahren gedacht ist, die vorher 4 bis 11 km zu alternativen Schulen laufen mussten. Isfay al Fauqa liegt in der sogenannten Firing Zone 918 in Masafer Yatta, über 1.000 Menschen sind hier von Zwangsräumung zugunsten eines israelischen militärischen Übungsgeländes bedroht.[i]

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Kisan – Wo die Besatzung die Idylle verblassen lässt

Sonnenaufgang nahe Kisan; © WCC-EAPPI/Helga

Sonnenaufgang über im Morgendunst liegenden Bergen und Hügeln. In der Ferne silbern glitzernd das Tote Meer. Vögel zwitschern, Hähne krähen, Hunde bellen, Schafe und Ziegen blöken.

Der rote Sonnenball erscheint am Horizont und wirft Tageslicht auf das kleine Dorf Kisan 20 km südlich von Bethlehem. Doch unser Wissen um die besatzungsbedingte Situation des Ortes und seiner Menschen trübt unsere Freude an der mystischen Morgenstimmung.

In Kisan begleiten wir regelmäßig Hirtinnen mit ihren Herden auf ihr Weideland, weil die Frauen auf den Weidegängen immer wieder von Siedlern bedrängt wurden. Die Hirtinnen sagen uns, dass die Siedler fernbleiben, wenn wir da sind. Frühmorgens beobachten wir aus einiger Entfernung, wie die Frauen mit ihren Herden umherziehen. Zuletzt gab es mehrmals neue Vorgaben seitens des Militärs, bis wohin die Hirtinnen mit ihren Tieren gehen können. Eine der Frauen sagte uns dazu: „Unsere Ziegen müssen fressen, Futter zukaufen ist teuer. Außerdem ist das hier doch unser Land.“

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Frauen für den Frieden

Im Oktober begaben sich israelische und palästinensische Frauen auf eine „Reise für Frieden“: Die Journey for Peace[1] führte durch mehrere Orte, von Akko bis Jerusalem. Gespräche wurden geführt, es gab Konzerte, eine Statue für Frieden wurde enthüllt. Am Ende der Tour wurden die Frauen vom israelischen Staatspräsidenten begrüßt und führten ein längeres Gespräch mit dessen Frau[2].

Organisiert wurden die Aktivitäten von der israelischen Organisation Women Wage Peace[3] und der palästinensische Organisation Women of the Sun. Im Juli konnte ich die Gruppen während meines Einsatzes mit EAPPI erleben, als sie gemeinsam eine Demonstration anlässlich des Besuchs des US Präsidenten Joe Biden in Jerusalem veranstalteten:

Mitglieder der Women Wage Peace auf dem Protestzug Richtung Altstadt; © WCC-EAPPI/Tabea

Am 14.Juli versammeln sich die Mitglieder von Women Wage Peace im westlichen Teil von Jerusalem. Der Name der Frauenorganisation steht im Kontrast zur englischsprachigen Formulierung „wage war“ – Krieg führen. Als Ökumenische Begleiter:innen sind wir anwesend, um die Aktivität der Friedensgruppe zu erleben und zu dokumentieren. Etwa 100 Frauen, aus verschiedenen Regionen Israels, verteilen blaue Flaggen und Plakate, u.a. mit der Aufschrift „President Biden – Women Want Peace“, während sie sich zu Fuß auf die Altstadt von Jerusalem zubewegen. Eskortiert werden Sie von israelischen Polizist:innen. Die Stimmung unter den Frauen ist sehr ausgelassen, Lieder wie „We shall overcome“ werden gesungen, es wird viel gelacht und getanzt.

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„Erzählt es weiter!“

Seit über einer Stunde blicken wir in tausende Männergesichter, müde, muffelige, muntere, ab und an ein Frauengesicht. Wir stehen am CP 300, dem Übergang für Palästinenser:innen aus der Region Bethlehem und anderen Orten der südlichen Westbank nach Ost-Jerusalem und Israel.

Gegen 6 Uhr hören wir das Klicken der beiden Drehkreuze, durch die immer nur eine Person passt, plötzlich nicht mehr. Eine Masse von Menschen, dicht an dicht gedrängt, staut sich zurück, zunächst bis zu uns, dann bis zu dem Verkaufsstand hinter uns, wo ein Morgenkaffee und Imbiss erhältlich ist, und schließlich bis zu den Taxis, die auf Fahrten warten. Einige Männer klettern am Drehkreuz der humanitarian lane hoch auf eine Mauer und springen vor die beiden Drehkreuze des Haupteingangs, um vorne zu sein, wenn der Durchgang wieder möglich ist. Sie springen an und zwischen die Körper anderer. Solche Szenen haben wir schon öfter beobachtet, wenn es drinnen im Checkpoint nicht mehr weitergeht und die ersten Panik bekommen, ihren Arbeitsplatz nicht rechtzeitig zu erreichen.

Ein schmales Drehkreuz und eine schmale Tür: Die sogenannte humanitarian lane am Checkpoint 300; © WCC-EAPPI/Helga

Die humanitarian lane – der sogenannte humanitäre Durchgang – scheint ebenfalls geschlossen zu sein. Nirgendwo gibt es ein Schild oder einen sonstigen Hinweis, wann und für wen dieser Durchgang geöffnet wird. Aus unseren bisherigen Erfahrungen und dem, was das Vorgängerteam uns berichtet hat, schließen wir, dass die humanitarian lane um 5:45 Uhr für Frauen, Kinder, Menschen mit Behinderungen und Personen mit besonderen Genehmigungen wie etwa für Arztbesuche, geöffnet sein sollte. Und zwar theoretisch so lange, wie der Haupteingang die große Zahl der Menschen bewältigen muss, die morgens auf dem Weg zur Arbeit sind. Aber wie so vieles, was wir hier erleben, spiegelt auch die scheinbare Wahllosigkeit der Öffnung oder Nichtöffnung der humanitarian lane wider, was viele Menschen hier als besonders belastend in ihrem Alltag unter Besatzung empfinden: Die häufige Willkürlichkeit des Systems, das Gefühl, nie genau zu wissen, was einen als nächstes erwartet. Das Gefühl, nicht als menschliche Wesen wahrgenommen zu werden. Hier am Checkpoint äußert sich diese eingespielte Form der Besatzungsbürokratie vielleicht für viele besonders deutlich, denn hier sind die meisten Abläufe mittlerweile elektronisch geregelt, ist kaum menschlicher Kontakt möglich, z.B. wenn es zu Problemen kommt und der Durchgang verweigert wird.

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Wir erwarten Zerstörung, Trauer und Wut – und sehen Wiederaufbau, Standhaftigkeit und Lebensmut

Wir kommen in dem wunderschön auf einem Hügel nahe Bethlehem gelegenen Ort Al Walaja an, die Siedlung Har Gilo mit einer Mauer abgetrennt und ständig auf Erweiterung bedacht im Rücken von uns, während vor uns das zum UNESCO Welterbe gehörende Tal um Battir herum liegt, wo traditioneller Terrassenfeldbau gepflegt wird.

Nach unserer Ankunft treffen wir zwei Frauen, die wir bereits von unserem Besuch der Holzwerkstatt des Ortes kennen. Diese Werkstatt ist ein Projekt der selbstorganisierten Frauengruppe von Al Walaja, die wiederum schon seit vielen Jahren vom deutschen Verein Kurve Wustrow unterstützt wird[1]. Die beiden führen uns zu dem Haus, wo morgens früh um 6:30 Uhr die Zerstörung begonnen hatte. Um 5 Uhr, als Armee Jerusalemer Stadtverwaltung ankamen, weckten die Dorfbewohner:innen einander. Doch sie konnten der betroffenen Familie nur aus der Ferne Beistand leisten, weil das Militär Zufahrt und Umgebung kurzfristig zur militärischen Sperrzone erklärt hatte. Das Erdgeschoss des Hauses hat eine Zerstörungsanordnung, über die, wie über 37 weitere im Ort, am 1.11.2022 vor dem Obersten Gerichtshof Israels entschieden werden soll.  Warum so viele Häuser in Al Walaja von Zerstörung bedroht sind kann im Bericht einer meiner Vorgänger:innen detailliert nachgelesen werden.

Für das obere, neu aufgesetzte Stockwerk des Hauses hatte die Familie erst vor kurzem eine Anordnung erhalten, dieses selbst zu zerstören. 15 Tage Zeit, das eigene Zuhause abzureißen. Dem haben sie nicht Folge geleistet. Vater und Mutter, so wird uns berichtet, benötigten den Ausbau für ihre 5 Jungs und 2 Mädchen, alle minderjährig.

Das zerstörte Obergeschoss des Hauses; Foto © WCC-EAPPI

Während wir die Zerstörung dokumentieren, kommt das älteste Mädchen (geschätzt 10 Jahre alt) der Familie mit einer Freundin vorbei. Sie steht noch unter Schock, ist nicht zur Schule gegangen. Sie nimmt gleich die große-Schwester-Rolle ein „Die Kleinen hatten so viel Angst.“ Das (Blech-)Dach, die Mauern, selbst der Wassertank sind zerstört. Vor der Tür liegt ein Haufen Kleidung, der gerettet werden konnte. Die Mutter ist schwanger und musste ins Krankenhaus eingeliefert werden. Die Familie sei bei der Großmutter untergekommen. Es müsse erst sichergestellt sein, dass das untere Geschoss nicht von Einsturz bedroht ist durch die Erschütterungen beim Abriss; auch die Wasserversorgung ist noch nicht wiederhergestellt.

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Die Frauen von An Nabi Samwil

Das heutige An Nabi Samwil liegt eingeklemmt zwischen Siedlungen und Trennbarriere; © UNOCHA-OPT Humanitarian Atlas 2019

Das Dorf An Nabi Samwil – Prophet Samuel – liegt auf einem Hügel in der Westbank, etwa vier Kilometer nördlich von Jerusalem. Am höchsten Punkt des Hügels befindet sich ein Grabmal, das dem Propheten Samuel zugeschrieben wird. Hier steht eine Moschee, die zum Teil in eine Synagoge umgewandelt wurde. Ausgrabungen haben ergeben, dass hier bereits ab dem 4. Jahrhundert v.Chr. Menschen gelebt haben.[1] Bis 1971 lag rund um die Moschee das ursprüngliche palästinensische Dorf An Nabi Samwil. Von den etwa 1.000 Einwohner:innen flohen viele im 6-Tage-Krieg. 1971 wurde das Dorf von der israelischen Armee zerstört und die verbliebenen Einwohner:innen umgesiedelt.[2]

Zwischen Siedlungen, Trennbarriere und Nationalpark

Heute läuft man entlang der Trennbarriere, um nach An Nabi Samuel zu gelangen, das versteckt hinter Stacheldrahtzäunen und einem israelischen Wachposten liegt, etwa hundert Meter von seinem ursprünglichen Ort. An Nabi Samwil liegt in der sogenannten „Seam Zone“, zwischen der Trennbarriere, die hier – wie an vielen anderen Stellen – unter Verstoß gegen internationales Recht innerhalb des besetzten Gebiets verläuft, und der „Grünen Linie“, der Waffenstillstandslinie von 1949, die als Verhandlungsgrundlage für eine zukünftige Grenze zwischen Israel und einem palästinensischen Staat gilt. Um in die Westbank zu fahren müssen die Einwohner:innen von An Nabi Samwil den Checkpoint Al Jib passieren. Eine physische Grenze nach Israel gibt es zwar nicht, jedoch droht die Verhaftung, sollten sie sich als Einwohner:innen der Westbank ohne gültige Genehmigung in Israel aufhalten.

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