Frauen für den Frieden

Im Oktober begaben sich israelische und palästinensische Frauen auf eine „Reise für Frieden“: Die Journey for Peace[1] führte durch mehrere Orte, von Akko bis Jerusalem. Gespräche wurden geführt, es gab Konzerte, eine Statue für Frieden wurde enthüllt. Am Ende der Tour wurden die Frauen vom israelischen Staatspräsidenten begrüßt und führten ein längeres Gespräch mit dessen Frau[2].

Organisiert wurden die Aktivitäten von der israelischen Organisation Women Wage Peace[3] und der palästinensische Organisation Women of the Sun. Im Juli konnte ich die Gruppen während meines Einsatzes mit EAPPI erleben, als sie gemeinsam eine Demonstration anlässlich des Besuchs des US Präsidenten Joe Biden in Jerusalem veranstalteten:

Mitglieder der Women Wage Peace auf dem Protestzug Richtung Altstadt; © WCC-EAPPI/Tabea

Am 14.Juli versammeln sich die Mitglieder von Women Wage Peace im westlichen Teil von Jerusalem. Der Name der Frauenorganisation steht im Kontrast zur englischsprachigen Formulierung „wage war“ – Krieg führen. Als Ökumenische Begleiter:innen sind wir anwesend, um die Aktivität der Friedensgruppe zu erleben und zu dokumentieren. Etwa 100 Frauen, aus verschiedenen Regionen Israels, verteilen blaue Flaggen und Plakate, u.a. mit der Aufschrift „President Biden – Women Want Peace“, während sie sich zu Fuß auf die Altstadt von Jerusalem zubewegen. Eskortiert werden Sie von israelischen Polizist:innen. Die Stimmung unter den Frauen ist sehr ausgelassen, Lieder wie „We shall overcome“ werden gesungen, es wird viel gelacht und getanzt.

„Unser Wunsch ist es, dass Präsident Joe Biden seinen Einfluss nutzt, um Frieden nach Israel und Palästina zu bringen“ meinte eine Frau zu einem Journalisten, der sie fragte, warum die Frauen auf die Straße gehen.

Gegründet wurde Women Wage Peace 2014, heute hat die Graswurzelbewegung rund 45.000 Mitglieder in ganz Israel. Sie selbst bezeichnen sich als die größte Friedensbewegung des Landes.[4] Den Frauen geht es nicht darum, eine aus ihrer Sicht geeignete Konfliktlösung zu propagieren. Vielmehr wollen sie Frauen aus verschiedenen Teilen der Gesellschaft stärken und Vertrauen zwischen israelischen und palästinensischen Frauen aufbauen. Ihre zentrale Forderung ist die Wiederaufnahme von Verhandlungen, jedoch mit einer wesentlich stärkeren Beteiligung von Frauen.

Im März 2022 startete die Kollaboration[5] mit der palästinensischen Organisation Women of the Sun, die ein Jahr zuvor als eine Art Schwesterorganisation gegründet worden war. Gemeinsam trafen sich Frauen aus beiden Organisationen am Toten Meer, um den „Mothers‘ Call“ zu unterschreiben: Ein Aufruf an die politisch verantwortlichen in beiden Ländern, aber auch an die internationale Gemeinschaft, Friedensgespräche und Verhandlungen zu führen, um eine politische Lösung für den Konflikt zu erreichen. Darin heißt es[6]:

Wir, palästinensische und israelische Frauen aus allen Gesellschaftsschichten, sind vereint im menschlichen Wunsch nach einer Zukunft in Frieden, Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und Sicherheit für unsere Kinder und die nächsten Generationen. Wir glauben, dass auch die Mehrheit der Menschen in unseren Nationen unseren gemeinsamen Wunsch teilt. Deshalb fordern wir, dass unsere politischen Entscheidungsträger:innen auf unseren Aufruf hören und unverzüglich Friedensgespräche und -verhandlungen beginnen, mit der Verpflichtung, innerhalb eines begrenzten Zeitrahmens eine politische Lösung für den langen und schmerzhaften Konflikt zu erreichen. Wir rufen die Völker beider Nationen – Palästinenser:innen und Israelis – und die Völker der Region auf, sich unserem Aufruf anzuschließen und ihre Unterstützung für die Lösung des Konflikts zu demonstrieren. Wir rufen die Frauen der Welt auf, uns beizustehen für eine Zukunft in Frieden und Sicherheit, Wohlstand, Würde und Freiheit für uns selbst, unsere Kinder und die Menschen in der Region. Wir rufen Menschen des Friedens aus der ganzen Welt auf, sowohl junge als auch alte, religiöse Oberhäupter, einflussreiche Menschen, Gemeindeleiter:innen, Pädagog:innen und diejenigen, denen dieses Thema am Herzen liegt, sich unserem Aufruf anzuschließen. Wir laden unsere politischen Entscheidungsträger:innen ein, der Stimme und dem Willen der Völker in diesem Aufruf zu folgen, den Konflikt zu lösen und einen inklusiven, gerechten Frieden zu erreichen. Wir verpflichten uns, im Einklang mit der UN-Resolution 1325 bis zu seiner erfolgreichen Lösung eine aktive Rolle im Verhandlungsprozess zu übernehmen. Wir fordern unsere politischen Entscheidungsträger:innen auf, Mut und Visionen zu zeigen, um diesen historischen Wandel herbeizuführen, den wir alle anstreben. Wir schließen uns entschlossen und partnerschaftlich zusammen, um unseren Völkern wieder Hoffnung zu geben.“

Auf einer Brücke in der Nähe der Altstadt von Jerusalem treffen sich die beiden Gruppen dann auch an jenem 14. Juli: Herzliche Begrüßungen werden ausgetauscht, während die blauen Flaggen von Women Wage Peace sich mit den gelben Flaggen der Women of the Sun vermischen.

Mitglieder der Women Wage Peace und Women of the Sun treffen sich zum gemeinsamen Protest auf einer Brücke in Jerusalem; © WCC-EAPPI/Tabea

Nach etwa vier Stunden friedlichen Protests kommen die Frauen noch für ein Gruppenbild zusammen, bevor sie sich im Park zu einem gemeinsamen Picknick auf die Wiese setzen. Auch hier ist die Stimmung lebhaft: Über große Boxen wird Musik gespielt, es wird getanzt und einige Mitglieder halten kurze Reden. Für uns ist dieser Moment wunderschön und ein starkes Zeichen dafür, dass Vertrauen, Austausch und Zusammenarbeit trotz des andauernden Konflikts möglich sind.

„Es ist natürlich keine Selbstverständlichkeit für die palästinensischen Frauen, heute hier in Jerusalem zu sein. Die meisten leben im Westjordanland und müssen eine Erlaubnis beantragen, um nach Jerusalem kommen zu können“, meint die internationale Koordinatorin der Women Wage Peace, Angela Scharf, die selbst schon seit der Gründung der Gruppe aktiv dabei ist.

Eine Woche später treffen wir uns nochmal mit Angela für ein Gespräch über die Arbeit der Organisation: Einmal pro Woche treffen sich die Frauen in West-Jerusalem, um sich öffentlich für den Frieden einzusetzen. Nicht selten werden sie mit Kommentaren wie „Frauen sollten in die Küche zurück“ konfrontiert. Das hält Angela nicht von ihrem Engagement ab: „Wir Frauen gehen Probleme anders an als Männer. Darum ist uns die Forderung so wichtig, dass Frauen an den politischen Friedensgesprächen teilhaben sollen.“

Tabea, im Oktober 2022

Ich habe für das Berliner Missionswerk am Ökumenischen Begleitprogramm in Palästina und Israel (EAPPI) des Ökumenischen Rates der Kirchen teilgenommen. Diese Stellungnahme gibt nur meine persönlichen Ansichten wieder, die nicht unbedingt die des Berliner Missionswerks oder des Ökumenischen Rates der Kirchen sind.

[1] https://www.womenwagepeace.org.il/en/peace-journey-2022-impressions/

[2] http://messages.responder.co.il/7057615

[3] https://www.womenwagepeace.org.il/en/about/

[4] ebenda

[5] https://www.youtube.com/watch?v=FQkgwYjgpjI

[6] https://www.womenwagepeace.org.il/en/mothers-call/ (Übersetzung der Autorin)

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