Transportfahrzeug der Mobile Clinic (Photo: EAPPI)
Jeden zweiten Donnerstag geht es für Suhad und ihre Kollegen von der Mobile Clinic wieder in die „Seam Zone“, um medizinische Versorgung für jene bereitzustellen, die von der Außenwelt abgeschnitten sind. Regelmäßig begleiten auch wir Ökumenische Begleiter*innen die Mobile Clinic auf diesen Fahrten.
Salaam, Mutter von Aala (26), Amir (21) und Ahmed (15). Alle drei saßen oder sitzen in israelischen Gefängnissen. (Photo: EAPPI)
Azzun ist ein kleiner Ort mit ungefähr 8.000 Einwohnern in der Nähe von Qalqiliya. Die Stadt liegt in unmittelbarer Nähe zur israelischen Sperranlage und zu mehreren, nach internationalem Recht illegalen israelischen Siedlungen. Unser Kontakt vor Ort, Hassan, der in der Stadtverwaltung von Azzun arbeitet und für minderjährige Gefangene zuständig ist, erzählt uns, dass seine Stadt die höchste Zahl von palästinensischen Kindern in israelischen Gefängnissen aufweist, Ost-Jerusalem ausgenommen.
Die Zeit vergeht wie im Flug. Jetzt haben wir bereits schon das Midtermtraining hinter uns, welches ungefähr in der Mitte unseres Einsatzes stattfindet. Eine Woche lang sind wir durch Israel gereist und haben verschiedene Menschen und Institutionen, vor allem Nichtregierungsorganisationen (NGOs) kennengelernt. Dabei sind uns sehr viele spannende Menschen begegnet und über jeden von ihnen könnte man einen eigenen Artikel schreiben.
Besonders inspirierend fand ich die Rabbinerin Alona Nir. Alona wurde am Hebrew Union College Jerusalem als Reform Rabbinerin ordiniert und seit 2017 ist sie die Rabbinerin der Synagoge Kehilat Mevasseret Zion in West-Jerusalem. Außerdem hat sie einen Master in Konfliktbewältigung von der Hebrew University und hat mehr als 15 Jahre in der informellen jüdischen Bildung im In- und Ausland gearbeitet.
Wenn es eine Rangliste mit den gastfreundlichsten Menschen der Welt gäbe, ich bin sicher, die Palästinenser würden unangefochten an der Spitze stehen. Es beginnt meist mit dem arabischen Kaffee. Ob wir nun spontan eine Familie besuchen, einen Vorfall dokumentieren, einen Schäfer beim Hüten seiner Schafe begleiten oder zu einem offiziellen Termin eingeladen sind, an erster Stelle wird uns Kaffee oder Tee angeboten.
Was bedeutet die Besatzung für die Menschen, die unter ihr leben müssen? Je länger ich hier bin, desto schwieriger finde ich es, diese Frage zu beantworten. In den letzten Wochen, die ich in Palästina und Israel verbracht habe, konnte ich mit eigenen Augen erleben, wie vielfältig die Auswirkungen der Besatzung sind.
Ein Beispiel dafür ist Abwasser. Letzte Woche waren wir in der Gemeinde Turmus’ayya. An der Ostseite des Dorfes wurde vor ungefähr einem Jahr eine Siedlung errichtet, die sich Amichai nennt. Amichai wurde gebaut, nachdem der auf palästinensischem Privatland errichtete Siedlungsaußenposten Amona im Februar 2017 geräumt worden war. Nun sind vor ca. zwei – drei Monaten die ersten Siedler in Amichai eingezogen. Diese haben bereits Anfang Juni laut unserem lokalen Kontakt eine große Anzahl von Olivenbäumen zerstört[1]. Die Armee sei bei diesem Vorfall ebenfalls anwesend gewesen, habe die Siedler jedoch nicht aufhalten können. Seit Juli fließt, unserem Kontakt zufolge, deren Abwasser nun in das Land der Dorfbewohner. Auch die israelische Tageszeitung Haaretz berichtete bereits davon[2].
Fayez Taneeb und seine selbst konstruierte Bewässrungsanlage einem seiner Gewächshäuser (Photo: EAPPI)
Bereits zum zweiten Mal besuchen mein Team und ich nun Fayez Taneeb and seine Frau Mouna auf ihrer organischen Farm in Tulkarem, die den schönen Namen „Hakoritna-Farm“ (حكورتنا) trägt. Das bedeutet grob übersetzt so viel wie „unser kleiner Garten vor dem Haus“. Wir werden herzlich begrüßt und in einen hinter zwei riesigen Bäumen versteckten Platz im Freien geführt, wo gemütliche Sofas und Matratzen auf uns warten. Die StudentInnen der Kadoorie Universität[1] in Tulkarem, die jedes Jahr für ca. 4 Monate zu Fayez geschickt werden, um ihr theoretisches Wissen mit praktischen Erfahrungen zu unterfüttern, haben diesen Platz zu einer Art „chillout-area“ umgestaltet. Ein wunderschöner Ort voller Stille und Natur, der nur von dem Anblick der Sperranlage gestört wird, die in ca. 20 Meter Entfernung verläuft. Eine graue Betonwand, die sich ins Unendliche zu erheben scheint. Auf dem Kopf der Mauer ist Stacheldraht zu sehen, sowie vereinzelt Videokameras. Kein schöner Anblick.
Fühle! Kuschle dich auf den wackligen Matratzen unter die weichen Decken. Genieße die Wärme der Sonne, die Frische der Brise, die Festigkeit der Frucht, die Struktur eines Steins.
Höre zu! Erwache mit dem Ruf zum Gebet. Höre den Hahn und den bellenden Hund. Ein Bulldozer? Nein! Das Traumland verweht, ein neuer Tag beginnt. Schlafzimmer, Toilette, Wasser – sicher für einen weiteren Tag. Kinderstimmen wehen über die Straße, Aufklärungsflieger und Drohnen am Himmel.
Morgenstimmung in Yatta, südliche Hebronberge
Susiya: An ruhigen Tagen lässt sich in dieser Landschaft träumen.
Mirkez: Haus und Wassertank wurden durch das israelische Militär zerstört. Die Solarpanele wurden beschlagnahmt. Für Palästinenser im C-Gebiet ist es fast unmöglich, Baugenehmigungen zu erhalten. Illegales Bauen ist daher an der Tagesordnung und der Abriss des Hauses ein Risiko, mit dem die Menschen leben.
Jinba: Unter einem zerstörten Haus bleibt noch die Höhle. Diese zuvor traditionelle Behausung stellt jetzt den Rückzugsort dar. Rechts im Bild der „Batterieschrank“ mit den aus Solarpanelen gespeisten Batterien. Diese wurden übersehen und daher durch das israelische Militär nicht konfisziert.
Halaweh: Ein EAPPI Teilnehmender dokumentiert eines der zerstörten Gebäude. Bei diesem Hof blieben die Solarpanele unangetastet.
Massafer Yatta: Schönheit und Kargheit der Landschaft kurz vor der Wüste Negev. Auch hier im Hintergrund ein abgerissenes Gebäude.
Susiya: Hier lebten bis vor kurzem Menschen. Auch die behelfsmäßige Plane, die als Dach diente, wurde konfisziert.
Susiya: Ein paar hundert Meter vom Ort der Zerstörung entfernt steht der Spielplatz.
Khallet Al Fouran: Eine Teilnehmende des Ökumenischen Begleitprogramms in Palästina und Israel (EAPPI) begleitet Schulkinder auf ihrem Weg zur Schule in Birin. Die Schulwegbegleitung wurde aufgrund von Spannungen mit israelischen Siedlern durch die Eltern aus Khallet Al Fouran angefragt.
Qawawis: Zur schützenden Präsenz auf der Schafweide gehört auch die gemeinsame Brotzeit.
Susiya: Obschon der palästinensische Schäfer sich auf Land im Besitz seiner Familie befindet, wird er vom israelischen Militär angewiesen, den Platz zu verlassen. Er soll mindestens 100 Meter Abstand halten zur israelischen Siedlung Suseya.
Im Vordergrund der palästinensische Ort Um Al Kheir, im Hintergrund die israelische Siedlung Karmel. Hier leben Beduinen und israelische Siedler nur durch zwei Zäune und einen knappen Landstreifen dazwischen getrennt. Immer wieder kommt es zu Konflikten.
Qawawis: Selbst auf der kargsten Schafweide findet sich immer auch ein Farbfleck.
Qawawis: Getreideanbau und Olivenhaine sichern für viele Menschen ein Auskommen.
Um Leskwas, kurz vor der Grenze zu Israel: Schützende Präsenz und Erntehilfe lassen sich gut vereinbaren. Die EAPPI Teilnehmenden wurden angefragt, weil die palästinensischen Landwirte Konflikte mit den Siedlern eines nahegelegenen Außenpostens befürchteten.
Um Al Kheir: Ein Lächeln inmitten widriger Lebensumstände.
Tagestour durch die südlichen Hebronberge mit „Breaking the Silence“: die israelische Organisation sammelt Zeugnisse von Soldaten und Soldatinnen, die in den besetzten palästinensischen Gebieten gedient haben. Als Zeitzeugen berichten sie aus dem militärischen Alltag und brechen ein Tabu: sie kritisieren die Besatzung und fordern ihr Ende.
Akkaba, nördlich von Tulkarem: Bauern nutzen ein sogenanntes „landwirtschaftliches Tor“. Da die Route der Trennbarriere durch besetztes Gebiet verläuft, leben die Bauern heute östlich der Sperranlage, ein Teil ihres Landes liegt westlich davon. Zu festen Zeiten, jeweils 2-3-mal täglich, können sie die Trennbarriere überqueren, sofern sie im Besitz eines Passierscheins sind.
Qalandia: Während des Ramadan passieren tausende Menschen diesen Checkpoint auf dem Weg zum Freitagsgebet in Jerusalem. Im Bild das Zugangstor für Frauen.
Westjerusalem: Seit über 30 Jahren halten die „Frauen in Schwarz“ wöchentliche Mahnwachen ab und fordern ein Ende der Besatzung.
Westjerusalem: Gegendemonstration zur Mahnwache der „Frauen in Schwarz“ an der gleichen belebten Kreuzung.
Ostjerusalem, im Viertel Sheikh Jarrah: Israelis, Palästinenser und internationale Engagierte demonstrieren gegen die Vertreibung von Palästinensern aus Teilen Ostjerusalems.
Bethlehem: vermutlich wären Engel hilfreich.
Abendstimmung in Yatta, südliche Hebronberge
Schmecke! Frisches warmes Brot getunkt in Olivenöl, süßer Tee. Bitterer schwarzer Kaffee.
Qaryut ist ein kleiner Ort mit ca. 2500 Einwohnern. Er liegt auf halbem Weg zwischen Nablus und Ramallah, teilweise in Zone B (geteilte Kontrolle) und teilweise in Zone C (vollständige israelische Kontrolle). Qaryut ist von zahlreichen Siedlungen und deren Außenposten umgeben. Die Einwohner des Ortes sind häufig Belästigungen und Übergriffen durch Siedler ausgesetzt.
Shufa ist ein kleines Dorf im Norden der Westbank. Abu Omar, unser Kontakt in Shufa, hatte auf unsere Anfrage hin, ob wir ihn besuchen können, sofort zugesagt, und schon am nächsten Tag empfingen er und seine Familie uns in ihrem Zuhause. Abu Omar setzte sich uns gegenüber auf die Couch und legte die Hände auf den Schoß, lächelte uns an. Er strahlte Ruhe aus und ich fühlte mich sofort wohl. Das Bild, wie er so vor uns saß, wird mir allein wegen seiner Ästhetik lange in Erinnerung bleiben.
Das Telefon klingelt, es ist Ghassan, unser Fahrer. Ich höre wie mein Teamkollege rangeht und kann nur ein paar Gesprächsfetzen auffangen: „Demolition…near Duma“. Das war‘s dann auch schon, es scheint keine Zeit für lange Erklärungen zu sein. Wir ziehen unsere EAPPI-Westen an und los geht’s.