Während unseres Aufenthaltes im Rahmen des EAPPI – Programms können wir auch Teams in anderen Placements besuchen. So habe ich Mitte Oktober das Team in Jericho besucht. Inzwischen kenne ich mich ein bisschen aus: wo kommt mein Minibus von Tulkarem in Ramallah an und wo fährt der Minibus nach Jericho ab. Die Verständigung funktioniert mit ein paar arabischen Wörtern und Körpersprache.
In einem internationalen und altersgemischten Team von vier Frauen lebe ich nun schon seit vier Wochen in der Westbank, in Tulkarem. Wir sind von EAPPI hierher geschickt worden, um die Menschen in ihrem Alltag unter Besatzung zu unterstützen, mögliche Rechtsverletzungen zu dokumentieren und über das vor Ort Erlebte zu berichten. Eine unserer Hauptaufgaben ist es, durch unsere internationale Präsenz an den sogenannten „agricultural gates“ (Landwirtschaftscheckpoints) die Bauern in dem Recht auf Zugang zu ihren Grundstücken zu unterstützen. So stehen wir jeden Morgen um 6 Uhr auf und fahren zu den verschiedenen “agricultural gates”, die wir mit dem Auto ca. 5 bis 7 km südlich und nördlich von Tulkarem erreichen.
Mahnwache vor dem Eingang des ICRC in Tulkarem (Photo: EAPPI)
Das erste Mal treffe ich Abu Ashraf vor dem Büro des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (ICRC) in Tulkarem. Jeden Dienstag findet dort eine kleine Mahnwache statt. Angehörige von palästinensischen Gefangenen in israelischen Gefängnissen zeigen dabei ihren Unmut über die Bedingungen in den Haftanstalten und die zahlreichen Restriktionen im Hinblick auf Besuche von Angehörigen in Gefängnissen.
Hier in Yanoun zeigen sich die Auswirkungen der Besatzung und des Siedlungsbaus auf das Leben und den Alltag der Menschen besonders deutlich. Auf den ersten Blick wirkt Yanoun wie das Paradies auf Erden. Am meisten Lärm machen hier die Schafe, Hühner und der Esel, alles wirkt so friedlich und ruhig.
Hebron, oder arabisch „Al Khalil“, ist die größte Stadt des Westjordanlandes und liegt im Süden des besetzten Gebietes. Sie gilt als einer der Brennpunkte des israelisch-palästinensischen Konflikts, denn sie ist die einzige palästinensische Stadt, in deren Zentrum nach Beginn der Besetzung israelische Siedlungen errichtet wurden. Aufgrund der Siedlungen wurde die Hebron im „Interimsabkommen über das Westjordanland und den Gazastreifen“ (auch als Oslo II bekannt) von 1995 nicht berücksichtigt, welches der palästinensischen Autonomiebehörde nach und nach unterschiedliche Level an Kontrolle über einige Teile der palästinensischen Gebiete übertrug. Stattdessen wurde die Stadt mit dem Hebron Protokoll 1997 in zwei Zonen geteilt: Hebron1 (H1) wird seitdem von der Palästinensischen Autonomiebehörde verwaltet, während Hebron2 (H2, 20% der Stadt) unter israelischer Militär- und Zivilverwaltung und somit unter vollständiger israelischer Kontrolle steht.[1]
Ein Thema, das mich und mein Team sehr beschäftigt und in dem wir recht aktiv sind, ist der Zugang zu Bildung. Nachdem das neue Schuljahr vor gut einem Monat begonnen hat, gehören die ‚School Runs‘ zu unseren regelmäßigen Aufgaben. An verschiedenen Orten in der Westbank und Ost-Jerusalem begleiten Teilnehmende des EAPPI Programms Kinder und Lehrpersonal auf Schulwegen und an Schulen, seit 2012 in Kooperation mit UNICEF.
Dreimal pro Woche begleiten wir die Schüler*innen der As Sawiya Secondary School, die direkt an der vielbefahrenen zentralen Verbindungsstraße 60 zwischen den Dörfern As Sawiya und Al Luban liegt, auf ihrem Weg zur Schule. Die Straße wird von Palästinensern ebenso genutzt wie vom israelischen Militär und von israelischen Siedlern. Mehrere israelischen Siedlungen und Außenposten liegen in unmittelbarer Nähe der Dörfer und der Schule. Von Zeit zu Zeit kommt es hier zu Zusammenstößen. Entlang der Straße und manchmal sogar direkt am Eingang der Schule sind die Schüler*innen fast täglich mit militärischer Präsenz konfrontiert, weshalb wir die Begleitung auf dem Schulweg zu einer unserer Prioritäten gemacht haben.
Transportfahrzeug der Mobile Clinic (Photo: EAPPI)
Jeden zweiten Donnerstag geht es für Suhad und ihre Kollegen von der Mobile Clinic wieder in die „Seam Zone“, um medizinische Versorgung für jene bereitzustellen, die von der Außenwelt abgeschnitten sind. Regelmäßig begleiten auch wir Ökumenische Begleiter*innen die Mobile Clinic auf diesen Fahrten.
Salaam, Mutter von Aala (26), Amir (21) und Ahmed (15). Alle drei saßen oder sitzen in israelischen Gefängnissen. (Photo: EAPPI)
Azzun ist ein kleiner Ort mit ungefähr 8.000 Einwohnern in der Nähe von Qalqiliya. Die Stadt liegt in unmittelbarer Nähe zur israelischen Sperranlage und zu mehreren, nach internationalem Recht illegalen israelischen Siedlungen. Unser Kontakt vor Ort, Hassan, der in der Stadtverwaltung von Azzun arbeitet und für minderjährige Gefangene zuständig ist, erzählt uns, dass seine Stadt die höchste Zahl von palästinensischen Kindern in israelischen Gefängnissen aufweist, Ost-Jerusalem ausgenommen.
Die Zeit vergeht wie im Flug. Jetzt haben wir bereits schon das Midtermtraining hinter uns, welches ungefähr in der Mitte unseres Einsatzes stattfindet. Eine Woche lang sind wir durch Israel gereist und haben verschiedene Menschen und Institutionen, vor allem Nichtregierungsorganisationen (NGOs) kennengelernt. Dabei sind uns sehr viele spannende Menschen begegnet und über jeden von ihnen könnte man einen eigenen Artikel schreiben.
Besonders inspirierend fand ich die Rabbinerin Alona Nir. Alona wurde am Hebrew Union College Jerusalem als Reform Rabbinerin ordiniert und seit 2017 ist sie die Rabbinerin der Synagoge Kehilat Mevasseret Zion in West-Jerusalem. Außerdem hat sie einen Master in Konfliktbewältigung von der Hebrew University und hat mehr als 15 Jahre in der informellen jüdischen Bildung im In- und Ausland gearbeitet.
Wenn es eine Rangliste mit den gastfreundlichsten Menschen der Welt gäbe, ich bin sicher, die Palästinenser würden unangefochten an der Spitze stehen. Es beginnt meist mit dem arabischen Kaffee. Ob wir nun spontan eine Familie besuchen, einen Vorfall dokumentieren, einen Schäfer beim Hüten seiner Schafe begleiten oder zu einem offiziellen Termin eingeladen sind, an erster Stelle wird uns Kaffee oder Tee angeboten.