Ohne Wasser geht nichts

Omar* hat seinen Hof am Rande von Khirbet Shuweika, schon bei der Anfahrt des EAPPI Teams auf das Hofgelände fällt auf: Die Hofstelle ist umgeben von blühenden Obstbäumen,  einem Olivenhain in vollem Saft und einem Gemüsegarten. Neben Ziegen, Schafen, Hühnern hält er auch Gänse.

Omars Hofgrundstück liegt in der B Zone, die unter geteilter palästinensischer und israelischer Verwaltung steht. Während die israelische Armee die Sicherheitskontrolle innehat, obliegt der palästinensischen Autonomiebehörde die Zivilverwaltung. Damit hat Omar einen relativ sicheren Zugang zum öffentlichen Wassernetz der Gemeinde Khirbet Shuweika, und das ist etwas, von dem seine palästinensischen Nachbarn im C-Gebiet zumeist nur träumen können, doch dazu später mehr.

Zwar ist das Wasser nicht ganz billig, Omar bezahlt pro Kubikmeter je nach Verbrauch im Schnitt 6 NIS. Er benötigt für seine Farm rund 85 Kubikmeter im Monat, für den Haushalt noch einmal 15 m³. Das sind stolze 600 NIS (etwa 125 Euro) im Monat, für einen palästinensischen Bauern eine Menge Geld. Aber sein Garten dient der Absicherung seiner Existenz. Denn seine anderen finanziellen Standbeine, Ackerbau und Viehhaltung, sind inzwischen bedroht.

Omars Probleme beginnen 50 m hinter seinem Haus, dort beginnt das C-Gebiet. Auch hier gehört das Land, das er bestellt und auf die er seine Herde bringt, ihm. Er baut hier Weizen und Gerste an, eigentlich eine einträgliche Sache. Aber wie fast überall in der Region werden regelmäßig Herden der Siedler auf sein Land getrieben und fallen über sein Getreide her. Während unseres Hofrundgangs kommt dann auch prompt die Nachricht: In den Hügeln südlich des Dorfes vertreiben Siedler die palästinensische Schaf- und Ziegenherde von einer Weide, die laut Omar auch ihm, bzw. seiner Großfamilie gehört.

Als wir gemeinsam mit Omar am Ort des Geschehens angekommen, weiden die Tiere der palästinensischen Hirten gezwungenermaßen in den Getreidefeldern von Omars Familie. Mitglieder der Gruppe Center for Jewish Non-Violence sind bereits vor Ort und können anhand von Karten der israelischen NRO Bimkom nachweisen, dass das Gelände in der Tat der Familie gehört. Die angerufene Polizei tauchte zur Anzeigenaufnahme nicht auf, es blieb den Hirten nichts anderes übrig, als mit den Tieren im Acker zu verbleiben. Zu groß ist die Gefahr, dass eine Auseinandersetzung mit den Siedlern als Gewalt der Palästinenser gegen die Siedler aufgefasst würde, strafrechtliche Konsequenzen für die palästinensischen Hirten könnten die Folge sein.

Zitronenbaum im Garten von Omar; © WCC-EAPPI
Zitronenbaum im Garten von Omar; © WCC-EAPPI
Abwasserkanal nahe Khirbet Shuweika; © WCC-EAPPI
Abwasserkanal nahe Khirbet Shuweika; © WCC-EAPPI

Die Äcker reichen an einen gurgelnden Bachlauf, ich denke, da müsste doch eine Intensivierung der Landwirtschaft durch Bewässerung möglich sein. Aber durch das Bachbett fließt eine graubraune Brühe. Omar erläutert: Durch dieses Flusstal fließt das Abwasser von Hebron sowie der umliegenden israelischen Siedlungen und palästinensischen Gemeinden am Oberlauf. Entlang des Bachlaufs liegen 1 m starke Wasserleitungsrohre. Omar erzählt, dass die Gemeinde den stinkenden und gesundheitsschädlichen Bach unterirdisch verlegen wollte, dies wurde aber von den israelischen Behörden untersagt.

Direkt nach dem Beginn der Besatzung 1967 wurde die gesamte Wassernutzung in den palästinensischen Gebieten der israelischen Militärverwaltung unterstellt. Schon damals wurde per Militärorder festgelegt, dass kein Eingriff in die Wasserwirtschaft durch die Palästinenser:innen ohne Genehmigung durch die israelische Militärverwaltung möglich sein soll[1]. Das schließt das Abwassermanagement mit ein.

2017 nannte die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage das „Vorhaben zur Rehabilitierung des Wasserverteilungsnetzwerkes in Jiftlik“ als eines ihrer geplanten Projekte in den C-Gebieten, dessen Genehmigung in den Vorjahren von den israelischen Behörden abgelehnt wurde.[2] Auch Omar berichtet, dass Deutschland vor rund 10 Jahren im Tal ein Klärwerk bauen wollte, um das Wasser des Bachs zu reinigen und für die Bewässerung von Obstanlagen nutzbar zu machen. Auch dieses Projekt wurde, so Omar, von den israelischen Behörden abgelehnt. Jetzt, so sagt er, würde das Wasser in Israel geklärt und für Bewässerung in der Wüste Negev genutzt.

Die Wassersituation hat enorme Auswirkungen auf die Bäuer:innen und Hirt:innen in den C-Gebieten. Die Besatzungsbehörden erlauben in der Regel weder ein Niederbringen von Brunnen, noch ein Verlegen von Wasserleitungen aus den B-Gebieten in die Dörfer und Hofstellen, ganz zu schweigen von einem Anschluss an das Wasserleitungsnetz der nahen Siedlungen und Siedlungsaußenposten, die hier in den besetzten palästinensischen Gebieten an das öffentliche israelische Wasser- und Stromnetz angeschlossen sind. Bei einem unserer Besuche im Dorf Umm al Kheir erzählt uns Moustafa*, ein junger Aktivist, dass das eine oder andere palästinensische Dorf im C-Gebiet, illegal nach israelischer Interpretation, Wasseranschlüsse aus dem B-Gebiet verlegt hat, worauf diese von den israelischen Behörden wieder entfernt oder zerstört wurden[3].

Welche Lösung haben die Bauern: Sie fahren das Wasser in rollenden Tanks mit Traktoren zu ihren Gehöften. Das Wasser beziehen sie von Zapfstellen im A- oder B-Gebiet. Außerdem legen sie, wo es Geographie und Geologie zulassen, unterirdische Zisternen an, in denen sie das abfließende Oberflächenwasser aus der Winterzeit sammeln. Mit klugen, aber kaum erkennbaren baulichen Kleinstmaßnahmen führen sie das Wasser aus dem Oberhang den Zisternen zu, die nach israelischer Lesart ebenfalls genehmigungsbedürftig sind, für die jedoch ebenfalls keine Genehmigungen ausgestellt werden.

Zisterne mit Viehtränke in den South Hebron Hills; © WCC-EAPPI
Zisterne mit Viehtränke in den South Hebron Hills; © WCC-EAPPI
Auch für die Versorgung dieser Herde einer palästinensischen Familie in den South Hebron Hills muss das Wasser mühsam per mobilem Tank herangebracht werden; © WCC-EAPPI
Auch für die Versorgung dieser Herde einer palästinensischen Familie in den South Hebron Hills muss das Wasser mühsam per mobilem Tank herangebracht werden; © WCC-EAPPI

Der pro Kopf Wasserverbrauch an Wasser liegt bei der palästinensischen Bevölkerung bei rund 70 Liter/Tag[4]. Die WHO geht von einem Mindestbedarf von 100-120 Liter/Tag aus. Nach einer Einschätzung des OHCHR haben etwa 420.000 Palästinenser:innen in der Westbank sogar weniger als 50 Liter Wasser pro Tag zur Verfügung[5]. Der gleiche Bericht beschreibt, dass nach einer Schätzung aus dem Jahr 2014 etwa 87% des Wassers der Westbank israelischem Verbrauch zukommt, 13% den Palästinenser:innen[6]. Es wird davon ausgegangen, dass die israelischen Siedler:innen in der Westbank einen pro Kopf Wasserverbrauch von 300-440 Liter[7] haben. Kein Wunder also, dass die Siedlungen im Vergleich zu den palästinensischen Dörfern wie grüne Oasen erscheinen und sogar hier, in den Trockengebieten der südlichen Westbank, Viehherden im großen Stil aufbauen können.

Omar ist mit seiner Hofstelle im B-Gebiet auf palästinensischer Seite eher die Ausnahme. Da Palästinenser:innen in den C-Gebieten nicht ohne israelische Genehmigung bauen dürfen, die sie, auch für Wohngebäude, in der Regel nicht erhalten, werden die noch verbliebenen freien Flächen in den A- und B-Gebieten zunehmend bebaut. Fast alle landwirtschaftlichen Aktivitäten der Palästinenser:innen finden im C-Gebiet statt, wo die Agrar- und Weideflächen liegen und sich ihre Höfe befinden. Die Bäuern:innen und Viehhalter:innen in Gemeinden, die am stärksten betroffen sind von Beschränkung des Zugangs zu Wasser, haben, so scheint es uns, wirtschaftlich kaum mehr eine Chance, während gleichzeitig israelische landwirtschaftliche Siedlungen und Außenposten im besetzten palästinensischem Gebiet weiter ausgebaut werden.

Rudolf, im April 2023

*Namen geändert

Ich habe für pax christi – Deutsche Sektion am Ökumenischen Begleitprogramm in Palästina und Israel (EAPPI) des Ökumenischen Rates der Kirchen teilgenommen. Diese Stellungnahme gibt nur meine persönlichen Ansichten wieder, die nicht unbedingt die von pax christi oder des Ökumenischen Rates der Kirchen sind.

Titelbild: Viele Bäuer:innen und Hirt:innen können die Wasserversorgung nur mit Hilfe von mobilen Tanks sicherstellen; © WCC-EAPPI

[1] https://en.wikipedia.org/wiki/Israeli_Military_Order, Absatz „Water“

[2] https://dserver.bundestag.de/btd/18/120/1812023.pdf Seite 9

[3] Siehe dazu auch http://www.eappi-netzwerk.de/wasser-ist-leben/

[4] https://www.undp.org/papp/blog/water-solutions-state-palestine-innovations-failing-make-it-mainstream

[5]https://www.ohchr.org/sites/default/files/HRBodies/HRC/RegularSessions/Session48/Documents/A_HRC_48_43_AdvanceUneditedVersion.docx  Seite 7, Punkte 26

[6]https://www.ohchr.org/sites/default/files/HRBodies/HRC/RegularSessions/Session48/Documents/A_HRC_48_43_AdvanceUneditedVersion.docx Seite 7, Punkt 27

[7] https://www.ochaopt.org/content/palestinians-strive-access-water-jordan-valley

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