Laufen für Veränderung

Right to movement – unter diesem Titel hat sich im Jahr 2013 auf Initiative von jungen Palästinenser:innen und Dän:innen in Bethlehem eine Graswurzelbewegung gegründet, die es inzwischen an verschiedenen Orten im Westjordanland mit einem umfangreichen sportlichen Angebot gibt. Zugleich organisierte die Gruppe im selben Jahr auch den ersten Palästina-Marathon mit ca. 650 Teilnehmenden, der in den Folgejahren auf über 10.000 Teilnehmende anwuchs und mittlerweile von einem Gremium der palästinensischen Autonomiebehörde – dem Palestinian Higher Council for Youth and Sports – durchgeführt wird. In diesem Jahr fand die Veranstaltung am 10. März statt.

Teilnehmende des Marathons laufen entlang der israelischen Trennmauer, die sich im Norden Bethlehems durch die Stadt schlängelt; © WCC-EAPPI/Nadine

Die Wahl des Namens deutet schon auf das Anliegen hin. Das Recht darauf, sich frei bewegen zu können (im Deutschen etwas umständlich „Freizügigkeit“ genannt), wird sowohl im humanitären Völkerecht als auch in den Menschenrechten garantiert. In Fällen einer Besatzung wie in den palästinensischen Gebieten hat die Besatzungsmacht die Pflicht, den Menschen in den besetzten Gebieten diese Freiheit zu ermöglichen. Einschränkungen sind nach internationalem Recht u.a. aus Gründen der Sicherheit möglich, müssen aber unbedingt nötig und angemessen sein und dürfen niemanden diskriminieren. Laufen für Veränderung weiterlesen

Zerstörungsanordnung für eine Grundschule

Ein Damoklesschwert über dem Recht auf Bildung für die Kinder des Dorfes Khashem al-Karem in den South Hebron Hills

Vorbereitung auf die Ankunft der Diplomat:innen – Kinder vor ihrer Schule in Khashem al-Karem; © WCC-EAPPI/Rudolf

25.Januar 2023, die Bewohner:innen des Dorfes Khashem al-Karem sind in angespannter Aufregung. Der palästinensische Bildungsminister und zahlreiche Vertreter:innen des diplomatische Korps haben sich zu einer Solidaritätskundgebung für die im Ort neu gebaute Schule eingefunden, unter ihnen auch ein Repräsentant des Deutschen Vertretungsbüros in Ramallah. Ende 2022 hat die Schule eine Abrissverfügung erhalten. Der Vorwurf: Sie wurde ohne Genehmigung der israelischen Behörden errichtet. Als Ökumenische Begleiter:innen des EAPPI Programms sind auch wir zu viert vor Ort, um Solidarität zu zeigen. Eine Jeepbesatzung des israelischen Militärs beobachtet die Szene aus der Ferne.

Blick auf das Dorf Khashem al-Karem, zu dem auch viele vereinzelt liegende Gehöfte gehören; © WCC-EAPPI/Rudolf

Bei Khashem al-Karem handelt es sich um ein palästinensisches Dorf von rund 500 Einwohner:innen, die von der Viehhaltung leben. Das Dorf liegt im äußersten Südosten der Westbank. Vor drei Monaten wurde hier mit Unterstützung einer Reihe europäischer Staaten, unter diesen auch die Bundesrepublik Deutschland, eine Grundschule mit angeschlossenem Kindergarten gebaut. Wie auf einem Schild am Gebäude zu lesen ist, möchten die finanzierenden Partner mit diesem Schulbau Palästinenser:innen unterstützen, die von erzwungener Umsiedlung bedroht sind. Doch was genau heißt das?

Hinweisschild an der Schule von Khashem al-Karem, auch Deutschland engagiert sich hier; © WCC-EAPPI/Rudolf

Die Schule liegt innerhalb der sogenannten C-Gebiete der Westbank, die unter voller israelischer Kontrolle stehen. Für Baumaßnahmen von Palästinenser:innen in diesen C-Gebieten werden so gut wie keine Baugenehmigungen durch die sogenannte Zivilverwaltung des israelischen Militärs erteilt. Zur gleichen Zeit wachsen hier die völkerrechtswidrigen israelischen Siedlungen.

Es kommt erschwerend hinzu, dass Khashem al-Karem und somit auch die Schule in einer militärischen Sperrzone liegen. Die israelische NGO Kerem Navot berichtete bereits 2015, dass etwas 1/3 der Westbank bzw. 50% der C-Gebiete Sperrgebiete sind.[1] Das macht Entwicklung für palästinensische Gemeinden in diesen Gegenden so gut wie unmöglich.

46 Kinder besuchen die Schule in Khashem al-Karem. Der Kindergarten umfasst 12 Kinder, in der Schule sind 34 Kinder. Sie kommen aus einem Umkreis von 3 km, einige haben auch einen weiteren Schulweg von bis zu 7 km. Die Palästinensische Autonomiebehörde stellt 6 Lehrer. Die Männer kommen alle aus dem Raum Yatta, der nächsten größeren Stadt. Der Schulleiter ist nach allem, was wir bisher erlebt haben, ein engagierter, den Kindern zugewandter Pädagoge.

Der israelische Oberste Gerichtshof hat Petitionen gegen den Abriss der Schule verworfen und eine Abrissgenehmigung zum 28. Januar 2023 verfügt. Im Falle eines Abrisses müssten die Kinder nach al Kaabneh gehen. Diese Schule liegt 4 km von Khashem al-Karem entfernt. Es gibt, so berichtet uns Nidal Younis, der Vorsitzende des Ortschaftsrats von Masafar Yatta, keinen sicheren Schulweg nach al Kaabneh. Öffentliche Transportverbindungen existieren nicht. In der Folge würden nicht mehr alle Kinder in die Schule gehen.

Blick in den Raum für die Kindergartenkinder an der Schule von Khashem al-Karem; © WCC-EAPPI/Rudolf

Der Minister betont an diesem Tag, wie wichtig der Einsatz für das Recht auf Bildung ist, und er würdigt die Bemühungen der Menschen in Khashem al-Karem, sich dieses Recht trotz der vielen Herausforderungen der Besatzungssituation nicht nehmen zu lassen. Er dankt für die internationale Anteilnahme und betont, wie wichtig diese Solidarität ist. Die Diplomat:innen bittet er, sich für die von Zerstörung bedrohten Schulen in der Westbank einzusetzen, damit diese erhalten bleiben können.

Andere bereiten sich in Gedanken schon auf Schlimmeres vor. Im Falle einer Zerstörung der Schule von Khashem al-Karem würde man sich erst einmal mit einer Zeltschule behelfen, sagt Nidal Younis. So haben auch die Menschen im nicht weit entfernten Isfey al Fauqa reagiert, dort war die Schule im November 2022 zerstört worden.[2] Der Vorsitzenden des Ortschaftsrats weiß aber auch, dass dann die Konfiszierung der Zelte droht, auch das mussten die Schüler:innen und Lehrkärfte in Isfey al Fauqa bereits erleben.

12 weitere Schulen in den South Hebron Hills leben unter dem Damoklesschwert von verfügten „Demolition Orders“, berichtet Nidal Younis. Er vermutet, dass die israelische Verwaltung mit diesen Maßnahmen versucht, den Menschen in der Raumschaft das Leben so schwer zu machen, dass sie freiwillig wegziehen. Dann wäre der Weg frei für wachsende Siedlungen und neu entstehende Außenposten.

Als Hoffnungsschimmer bleibt anzumerken: Wir haben inzwischen Mitte März, das Abrissultimatum wurde bisher nicht umgesetzt – sollte die breite internationale Öffentlichkeit doch Wirkung zeigen? Wir Ökumenische Begleiter:innen werden auf jeden Fall auch weiterhin vor Ort sein und den Kindern und Lehrkräften in Khashem al-Karem und anderen Dörfern in den South Hebron Hills bei ihrer Wahrnehmung des Rechts auf Bildung zur Seite stehen.

Rudolf, am März 2023

Ich nehme für pax christi – Deutsche Sektion am Ökumenischen Begleitprogramm in Palästina und Israel (EAPPI) des Ökumenischen Rates der Kirchen teil. Diese Stellungnahme gibt nur meine persönlichen Ansichten wieder, die nicht unbedingt die von pax christi oder des Ökumenischen Rates der Kirchen sind.

[1] https://www.keremnavot.org/a-locked-garden

[2] http://www.eappi-netzwerk.de/keine-hoffnung-auf-einen-sicheren-zugang-zu-bildung/

Our lady who brings down walls

An der Sperranlage[1], die Israel und die Westbank trennt, sieht man viele Graffitis. Seit der Errichtung der Mauer sind sie, wie hier in Bethlehem, künstlerischer Ausdruck des Widerstandes und der politischen Meinungs-äußerung. Manche der Graffitis drücken Verzweiflung aus, andere Schmerz und wieder andere Hoffnung.

Wöchentliches Gebet an der Mauer in Bethlehem; © WCC-EAPPI/Simon

Zu letzteren zählt auch eine Ikone von Maria, die seit 2010 zu sehen ist und von dem Künstler Ian Knowles geschaffen wurde. Inspiriert wurde sie durch eine Rede des damaligen Papstes Benedikt auf einer Sonderversammlung der Bischofssynode für den Nahen Osten im selben Jahr. Als Bild für die Christ:innen in der Region gebrauchte er ein Bild aus dem biblischen Buch der Offenbarung, in dem eine durch die Sonne bekleidete Frau unter Schmerzen ein Kind gebiert.

Knowles hat zu verschiedenen Gelegenheiten berichtet, was ihm an seiner Ikone wichtig ist: Maria fasst sich mit der Hand an die Stirn, als ob sie in großem Schmerz ist. Für den Künstler ist dieser Schmerz das Leiden der Christ:innen vor Ort unter der Besatzung.

In biblischer Tradition ist Maria nicht nur demütige Dienerin Gottes und Muttergottes, sondern durchaus eine politische und revolutionäre Persönlichkeit. Im sog. Magnificat, dem Lobgesang Marias, heißt es z.B.: „Er stürzt die Mächtigen vom Thron / und erhöht die Niedrigen. Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben / und lässt die Reichen leer ausgehen.“ (Lukas 1, 52-53). In dieser Tradition ist die Wahl Marias kein Zufall. „Our Lady who brings down walls“ heißt sie deshalb auch unter denjenigen, die sich jede Woche zum gemeinsamen Gebet an der Mauer treffen.

Das etwa 20-minütige Gebet am Freitagabend, an dem manchmal nur eine einstellige Anzahl von Personen, manchmal aber auch größere Gruppen teilnehmen, ist nicht spektakulär. Seine Intensität bekommt es viel mehr durch seine Beständigkeit und die Treue der Teilnehmenden seit vielen Jahren. Während des Rosenkranzgebets wird immer wieder Maria angerufen. Das Vaterunser wird gesprochen und zum Abschluss ein Lied gesungen.

Im Arabischen gibt es einen Begriff für diese Form der Standhaftigkeit: „sumud“. Sumud meint dabei keinen heroischen Akt der Befreiung durch Menschen, die unter Unterdrückung leben, sondern die entschiedene Resilienz, dass Aufgeben letztlich keine Option ist trotz täglich erlittenen Unrechts und zum Teil traumatischer Erfahrungen.

Bei verschiedenen Gesprächen hier in Bethlehem wurde uns deutlich, dass sumud eine wichtige Rolle im palästinensischen Streben nach Gerechtigkeit und Frieden spielt und nicht ausschließlich passiv zu verstehen ist. Im Festhalten (auch am eigenen Grund und Boden), im Dableiben (anstelle von Fliehen), im Aufrecht-Stehen (anstatt sich in die Opfer-Rolle zu begeben) liegt eine Kraft, die zuweilen erst auf den zweiten Blick zu erkennen ist.

Die Betenden laufen entlang der Mauer Richtung Checkpoint Bethlehem 300; © WCC-EAPPI/Simon

Die Betenden an der Mauer an jedem Freitagabend zeigen eine beeindruckende fast trotzige, aber dennoch von großer Hoffnung getragene Widerstandskraft. Die 78jährige Nadia*, auf deren Land die Mauer gegen ihren Willen errichtet wurde und die bis heute, wenn es ihr gesundheitlich möglich ist, gestützt von anderen am Gebet teilnimmt, erzählt: „Einmal hat mich ein Grenzpolizist gefragt, was wir hier machen. Ich habe ihm gesagt, dass wir hier beten. Wofür, hat er dann weiter gefragt. Dass eines Tages diese Mauer nicht mehr steht, war meine Antwort. Das wird nie passieren, war er sich sicher. Da habe ich gesagt: Ich werde meine Hand so lange über die Mauer ausstrecken, bis sie jemand von der anderen Seite ergreift.“

Nadia kann nicht mehr oft teilnehmen an dem Gebetsspaziergang an der Mauer, die auf ihrem Land steht. Ihre Beine lassen es nicht mehr zu. Aber sie wird nicht aufhören zu hoffen und zu beten. So wie die anderen Standhaften, die sich jeden Freitag treffen bei der Ikone von der Frau, die Mauern niederreißt.

Simon, im Februar 2023

Ich nehme für das Berliner Missionswerk am Ökumenischen Begleitprogramm in Palästina und Israel (EAPPI) des Ökumenischen Rates der Kirchen teil. Diese Stellungnahme gibt nur meine persönlichen Ansichten wieder, die nicht unbedingt die des Berliner Missionswerks oder des Ökumenischen Rates der Kirchen sind.

*Name geändert

[1] 2002, auf dem Höhepunkt der Zweiten Intifada, begannen die israelischen Behörden mit dem Bau einer Sperranlage. Diese soll die israelische Bevölkerung vor gewalttätigen Angriffen von Palästinensern aus der Westbank schützen. Etwa 65% der Barriere wurden bisher fertiggestellt. In städtischen Gebieten wurde die Barriere als etwa 8 Meter hohe Mauer, in ländlichen Gebieten als Anlage aus Zäunen, Gräben und militärischen Wegen errichtet. Ca. 85 % der Barriere verläuft auf dem Gebiet der Westbank und nicht auf der sog. Grünen Linie. Diese Waffenstillstandslinie von 1949 ist international als Grundlage für die Verhandlungen über eine Grenze zwischen Israel und einem zukünftigen palästinensischen Staat anerkannt. Wird die Barriere wie geplant fertiggestellt, dann wird sie 9% der Fläche der Westbank abtrennen. In diesem Bereich liegen die großen israelischen Siedlungsblöcke in der Westbank. Bereits heute führt der Verlauf der Barriere dazu, dass über 10.000 Palästinenser:innen im Bereich zwischen Grüner Linie und Barriere nur noch mit speziellen Genehmigungen der israelischen Behörden in ihren Häusern und auf ihrem Land leben dürfen. Palästinenser:innen aus 150 Dörfern haben keinen oder nur noch sehr eingeschränkten Zugang zu ihren Olivenhainen und landwirtschaftlichen Flächen in dieser Zone. 2004 hat der internationale Gerichtshof die Sperranlagen dort für völkerrechtswidrig erklärt, wo sie nicht auf der Grünen Linie verläuft.

Weitere Informationen und eine Übersichtskarte zur Sperranlage: https://www.ochaopt.org/content/humanitarian-impact-20-years-barrier-december-2022

Schulbesuch – In Tuqu’ und Al Minya eine ganz besondere Herausforderung

Eine der Hauptaufgaben der EAPPI-Teams in Bethlehem besteht in der schützenden Präsenz auf Schulwegen und an Schulen und der Dokumentation von Zwischenfällen, die sich dort ereignen. Dafür fahren die Ökumenischen Begleiter:innen regelmäßig in die Orte Tuqu’ und Al Minya, südlich von Bethlehem. Für drei Monate war die Schulwegbegleitung auch Teil meiner Aufgaben.

Vor Beginn des Unterrichts versammeln sich Schüler- und Lehrerschaft zum Singen der Nationalhymne; © WCC-EAPPI/Dorothee

In Tuqu’ waren wir an zwei Schulkomplexen präsent: Zum einen an den unmittelbar nebeneinander liegenden Schulen Aljurmagh and Alkansa, zum anderen an der Tuqu’ Secondary Boys School. Beide befinden sich auf halber Höhe zweier sich gegenüberliegender Hügel etwa 300 m Luftlinie voneinander entfernt. Dazwischen liegt eine stark befahrene Straße, an der fast alle Schüler:innen entlanggehen müssen, sowie ein Olivenhain, durch den ein Weg zur Boys School führt. Knapp 1.000 Mädchen und Jungen besuchen die Schulen in Tuqu‘. Ca. 5 km südlich befindet sich die Schule von Al Minya, die von etwa 220 Jungen und Mädchen im Alter von 7–14 Jahren besucht wird.

Der Schulbesuch ist für die Kinder dieser Schulen aus verschiedenen Gründen besonders schwierig: Der Schulweg führt an der enorm befahrenen Straße 356 entlang, auf der auch viele Busse und LKW unterwegs sind, deren Fahrer – so meine Wahrnehmung – häufig keine Rücksicht auf die am Straßenrand entlanglaufenden Schüler:innen nehmen. Hinzu kommt, dass viele Siedler:innen aus den Siedlungen Tekoa, Ma’ale Amos und Ibei Hanahal die Straße nutzen. Wiederholt erleben wir, dass Siedler versuchen, Kinder, Schulpersonal oder uns EAs zu schikanieren oder einzuschüchtern. Am schwersten wiegt aber sicherlich die außergewöhnlich starke israelische Militärpräsenz. Schulbesuch – In Tuqu’ und Al Minya eine ganz besondere Herausforderung weiterlesen

Beharrlichkeit und Hoffnung

Relief von Sliman Mansour an der Schule Talitha Kumi in Beit Jala; ©WCC-EAPPI/Christiane

Als ich vor drei Jahren als Ökumenische Begleiterin (EA) in der Westbank eingesetzt war, besuchte ich auch die Schule Talitha Kumi in Beit Jala. Der Name greift ein Bibelzitat auf und bedeutet „Mädchen steh auf!“ Bei meinem Besuch stieß ich auf ein Kunstwerk, das der Künstler Sliman Mansour, der selbst einmal Schüler der Schule war, Talitha Kumi gewidmet hatte.

In arabischer Schrift ist dort ein Wortspiel eingearbeitet, das sich auf den Namen der Schule bezieht: Palästina steh auf! Als ich vor einigen Wochen die Gelegenheit hatte, Sliman Mansour zu treffen, sprach ich mit ihm auch über das Relief. Er erklärte mir, dass die aus Ton modellierte Frau Heimat und auch Revolution symbolisiere. Die Friedenstaube weise darauf hin, dass Veränderung und Entwicklung gewaltfrei geschehen soll. Ich erinnere mich an den Eindruck, den das Relief damals bei mir hinterlassen hatte: Es strahlte Kraft und Hoffnung aus. Es spielten damals Kinder unterhalb des Reliefs auf dem Schulhof. Ein hoffnungsvoller, schöner Anblick.

Nun habe ich erneut drei Monate als EA in der Westbank verbracht und erlebte dort Übergriffe von Siedlern auf Palästinenser:innen und deren Eigentum und Zerstörungen von Seiten der israelischen Armee in einem Ausmaß, das ich vor drei Jahren nicht für möglich gehalten hätte. Täglich fuhren wir nun zu Orten, an denen es Übergriffe gegeben hatte. So besuchten wir zum Beispiel Abu Youssef* in At Tuwani. Er lädt uns zum Frühstück ein. Wir erfahren, dass er erst 49 Jahre alt ist. Wir hatten ihn weit älter geschätzt. Er erzählt: „Ich bin müde in meinem Herzen.“ Das Dorf und seine Familie sind häufig von Übergriffen der Armee oder der Siedler betroffen. Vor etwa einem Monat seien nachts Soldaten in sein Haus gekommen. Ganz in der Nähe seiner 5jährigen Tochter wurde eine Knallgranate gezündet. Abu Youssef: „Nun hat sie einen schwarzen Punkt in ihrem Herzen“. So beschreibt er das Trauma seiner Tochter durch den nächtlichen Übergriff. Er erklärt, dass die Kinder in dem Dorf durch die negativen Erfahrungen mit Soldaten stark geprägt sind: „Was fühlst du als Kind, wenn die Soldaten auf deinen Vater zielen und ihn sogar verletzen? Wir versuchen unsere Kinder zum Frieden zu erziehen – aber das Verhalten der Soldaten zerstört alles.“

Unermüdlich übersetzt der Fahrer, was die betroffenen Menschen erzählen. Er selbst sagt einmal, er sei müde angesichts der sich stetig verschlimmernden Situation in seiner Heimat. Aber dann spricht er weiter: „Die Situation ist dunkel wie die Nacht. Da ist kein Licht. Und du weißt, die drei Stunden vor Sonnenaufgang sind die dunkelsten. Ich glaube, wir befinden uns jetzt in den drei dunkelsten Stunden. Aber das bedeutet auch, dass das Licht nahe ist.“

Es waren solche Gespräche, die mir zeigten, dass viele Menschen trotz der widrigen Umstände die Hoffnung auf eine bessere Zukunft nicht aufgegeben wollen. Schließlich begann ich, Menschen konkret auf ihre Hoffnung anzusprechen. Beharrlichkeit und Hoffnung weiterlesen

Mantiqat Shi´b al Butum – Ein Dorf bedrängt von Siedlungsaußenposten

Das palästinensische Dorf Mantiqat Shi’b al Butum liegt ganz im Süden der Westbank zwischen den Außenposten Avogayil und Mitzpe Yair; Kartenausschnitt © B’Tselem; https://www.btselem.org/map

Mantiqat Shi‘b al Butum liegt in Masafer Yatta[1], einer ländlichen Gegend ganz im Süden der Westbank, am Rande der Wüste. Teile des Gebiets wurden von Israel zum aktiven militärischen Übungsgelände (Firing Zone 918) erklärt, ungeachtet dessen, dass dort mehr als 1.300 Menschen leben. Über 1.000 von ihnen sind akut von Zwangsräumungen bedroht. Mantiqat Shi’b al Butum liegt zwar nicht in der Firing Zone, hat jedoch als palästinensisches Dorf in der vollständig von Israel kontrolliert Zone C der Westbank immer wieder mit Zerstörungen von Wohngebäuden und Infrastruktur und in den letzten Jahren zunehmend mit den Auswirkungen neuer Siedlungsaußenposten zu kämpfen, die in der Nähe des Dorfes entstanden sind.

Wir fahren nach Shi‘b al Butum, um die Nacht bei einer Familie zu verbringen, die sich von Siedlern des angrenzenden Außenpostens Avigayil bedroht fühlt. Auf dem Weg erhalten wir einen Anruf von einem unserer Kontakte in der Region: In der Nähe des Dorfes habe die Armee soeben einen Traktor beschlagnahmt. Tatsächlich kommen uns unmittelbar nach dem Anruf zwei Armeefahrzeuge mit dem konfiszierten Traktor entgegen. Wir fahren zum Ort des Geschehens. Der Sohn des betroffenen Farmers erzählt uns, dass sein Vater festgenommen und der Traktor von der Armee beschlagnahmt wurde. Die Armee habe die Festnahme damit begründet, dass der Farmer Land gepflügt habe, das zum militärischen Übungsgelände gehöre. Die Familie pflüge jedoch schon seit 30 Jahren auf diesem Land, das in ihrem Besitz sei, so der Sohn des Farmers. Er ist sichtlich betroffen und verzweifelt. Sein Vater ist im Gefängnis, der Traktor beschlagnahmt – und das genau in der Pflanzzeit. Das Land ist steinig und trocken. Jetzt – zu Beginn der Regenzeit – ist es wichtig, dass es gepflügt wird. Der Sohn hat Sorge, dass sie am Ende ihr Land vielleicht sogar verlieren könnten, denn Land, das über mehrere Jahre nicht bearbeitet wird, kann zu israelischem Staatsland erklärt und somit enteignet werden. Wir nehmen Kontakt zur israelischen Menschenrechtsorganisation B‘Tselem auf, die sich um Unterstützung des Farmers bemühen wird. Mantiqat Shi´b al Butum – Ein Dorf bedrängt von Siedlungsaußenposten weiterlesen

Einsatz für den Frieden

Begegnungen mit dem Parents Circle – Families Forum und Breaking the Silence

Im Rahmen meines Einsatzes erlebte ich bei unseren Aktivitäten bisher nahezu täglich israelische Siedler und Soldaten oder erhalte brandaktuelle Meldungen im Zusammenhang mit deren Anwesenheit in der Region Bethlehem. In ausnahmslos allen Fällen waren es bedrückende, wenn nicht gar bedrohliche Informationen und Erlebnisse. Wie wichtig ist es da, auch einer „anderen Seite“ der israelischen Gesellschaft zu begegnen: Menschen ohne Uniform, Menschen mit einer kritischen Einstellung zu Konflikt und Besatzung, Friedensaktivist:innen. Von zwei solcher Begegnungen möchte ich berichten.

Während unseres Zwischenseminars steht Ben Kfir aus Ashkelon vor uns, und ich spüre ein innerliches Aufatmen und eine wachsende Faszination, je länger ich seinem Vortrag folge. Ben ist Mitglied des Parents Circle – Families Forum (PCFF), einer gemeinnützigen israelisch-palästinensischen Organisation von über 600 Familien, die im Konflikt ein oder mehrere Familienmitglieder verloren haben. Die Organisation steht für die feste Überzeugung, dass Versöhnung zwischen den Völkern unabdingbare Voraussetzung für einen dauerhaften Frieden in Israel und Palästina ist. Im Rahmen ihrer Versöhnungsarbeit veranstalten Mitglieder des PCFF u. a. nationale und internationale Treffen, Sommer-Friedenslager für Jugendliche, besuchen Dörfer, die von Siedlerübergriffen betroffen sind und haben eine Frauengruppe gegründet. Außerdem gehört die Organisation zu den Co-Koordinatoren des jährlich stattfindenden israelisch-palästinensischen Gedenktages für die Opfer beider Seiten[1]. Die wohl wichtigsten und ältesten Aktivitäten der Gruppe aber sind die der sogenannten „dialogue meetings“: Zwei Mitglieder des Parents Circles, Israeli:n und Palästinenser:in, treffen Jugendliche oder Erwachsene, erzählen ihre persönlichen Geschichten des Verlusts und erklären, wie und warum sie sich – gemeinsam – für Versöhnung einsetzen.

Screenshot der sehr empfehlenswerten Parents Circle Webseite https://www.theparentscircle.org/en/pcff-home-page-en/

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Besuch im Aida Refugee Camp

Das Aida Refugee Camp ist eines von drei Flüchtlingslagern in Bethlehems Stadtgebiet. Im Norden und Osten grenzt es an die Mauer, im Süden und Westen an die Stadt Beit Jala. Im Aida Camp leben heute etwa 5.500 Menschen auf einer Fläche von 0,071 km². Es wurde 1950 für Flüchtlinge aus 35 Dörfern der Region Jerusalem und Hebron gegründet.[i]

Blick vom Dach des AYC auf die Mauer; © WCC-EAPPI/Dorothee

Das Aida Camp ist aus verschiedenen Gründen ein Hotspot. An zwei Seiten wurde die Mauer direkt an das Camp herangebaut. Unmittelbar hinter der Mauer am östlichen Rand des Camps liegt eine der heiligsten Städte des Judentums und des Islam, das Grab von Rachel, Frau des Erzvaters Jakob. Rachels Grab wird heute vor allem von jüdischen Pilgergruppen besucht. Der Ort ist seit Bau der Sperranlage vollständig von der Mauer umschlossen und nur noch aus Richtung Jerusalem zugänglich, obwohl er sich auf Bethlehemer Land befindet. Die Heiligen Stätte und die Sperranlage um die herum ist streng militärisch bewacht.

An diesem Abschnitt der Mauer kommt es häufig zu Übergriffen der Armee und Zusammenstößen zwischen Soldaten und Anwohnern. Es ist – leider – nicht ungewöhnlich, dass wir auf dem Weg vom oder zum Stadtzentrum Rauchwolken aus dem Camp emporsteigen sehen. Was wir andernorts als „incident“ (Zwischenfall) protokollieren und dokumentieren würden, ist hier beinahe schon an der Tagesordnung und geht zumeist im allgemeinen Geschehen unter. In der Adventszeit werden wir aber doch um ein Treffen gebeten, nachdem ein Jugendzentrum im Camp direkt von einem solchen Vorfall betroffen war. Besuch im Aida Refugee Camp weiterlesen

Bleiben – auch wenn ein normales Leben unmöglich gemacht wird

Seam zone im äußersten Süden der Westbank mit dem palästinensischen Dorf A Seefer und den israelischen Siedlungen Metzadot Yehuda und Nof Nesher sowie dem Beit Yatir Checkpoint; Karte © UNOCHA-OPT, Ausschnitt aus „West Bank Access Restrictions June 2020“

Wir besuchen die Familie von Ahmed* und Yasmin*. Sie leben mit ihren Kindern in dem kleinen Dorf A Seefer, das von der Siedlung Metzadot Yehuda und dem Außenposten Nof Nesher umgeben ist.

A Seefer und die Siedlungen liegen in der sogenannten seam zone[1], dem Teil der Westbank, der zwischen der sogenannten Grünen Linie (der Waffenstillstandslinie von 1949) und der seit 2002 in Bau befindlichen israelischen Sperranlage liegt, die zu etwa 65% fertiggestellt ist. Die Sperranlage verläuft zu etwa 85% auf palästinensischem Gebiet, weshalb nach UN-Angaben heute etwa 11.000 Palästinenser:innen in der seam zone leben[2], dafür jedoch spezielle Genehmigungen benötigen. Palästinenser:innen aus weiteren 150 Gemeinden besitzen Land in der seam zone, das sie, wenn überhaupt, nur noch eingeschränkt und nur mit gültigem Passierschein erreichen können.[3] Bleiben – auch wenn ein normales Leben unmöglich gemacht wird weiterlesen

Keine Hoffnung auf einen sicheren Zugang zu Bildung?

Vor einer Woche besuchten wir das kleine, südlich von Hebron gelegene Dorf Isfay al Fauqa, weil die gerade erst mit internationalen Hilfsgeldern gebaute Dorfschule einen Abrissbefehl erhalten hatte.

Bei unserem ersten Besuch finden noch letzte Malerarbeiten an der neuen Grundschule von Isfay al Fauqa statt; © WCC-EAPPI/Christiane

Ein Militärfahrzeug der israelischen Zivilverwaltung traf am Tag zuvor ein und die Soldaten befestigten den Abrissbefehl an der Schulmauer. Diese Anordnung sollte nach 96 Stunden in Kraft treten. Die Schule besteht aus 6 Klassenzimmern, einer Toilette, einem Lehrerzimmer und einem Büro des Direktors. Die Bauarbeiten sind fast abgeschlossen und die Schüler:innen bereits eingezogen. In dem Dorf gab es bisher keine Schule. Die neue Einrichtung wird von 22 Schülerinnen und Schülern der Klassenstufen 1 bis 4 besucht.

Wir treffen Miriam und ihre sieben Kinder in ihrem Haus. Sie erzählen uns, dass die neu gebaute Schule für Kinder im Alter von 5 bis 10 Jahren gedacht ist, die vorher 4 bis 11 km zu alternativen Schulen laufen mussten. Isfay al Fauqa liegt in der sogenannten Firing Zone 918 in Masafer Yatta, über 1.000 Menschen sind hier von Zwangsräumung zugunsten eines israelischen militärischen Übungsgeländes bedroht.[i] Die Bewohner:innen der Dörfer in der Firing Zone haben keine Möglichkeit, Baugenehmigungen von den israelischen Behörden zu erhalten. Aufgrund der ständigen militärischen Präsenz israelischer Soldaten hatten die Kinder bislang große Schwierigkeiten, zur Schule zu gehen. Sie berichten uns, dass sie täglich von Soldat:innen aufgehalten wurden, manchmal eine Stunde lang, und häufig zu spät zur Schule kamen. Es sei immer wieder vorgekommen, dass sie aufgefordert wurden, nach Hause zu gehen, aber stattdessen liefen sie um die Hügel herum und gelangten so über Umwege zur Schule. Die Kinder sagen uns:  „Wir haben Angst vor der Besatzung“. Schule muss für Kinder ein sicherer Ort sein. Dazu gehört auch ein sicherer Schulweg. Die neue Schule soll den Kindern ersparen, täglich schwerbewaffneten Soldat:innen zu begegnen, von deren willkürlichen Entscheidungen abhängt, ob und auf welche Weise sie zur Schule gelangen können. Miriam ist sichtlich erleichtert, dass ihre Kinder nun geschützt sind, da sie die kleine Dorfschule besuchen können.

Die von Zwangsräumung bedrohten Dörfer in der Firing Zone 918 – Masafer Yatta, südlich von Hebron; © UNOCHA-OPT Fact sheet: Masafer Yatta communities at risk of forcible transfer | June 2022

Einen Tag nach unserem Besuch hob der israelische oberste Gerichtshof eine einstweilige Verfügung auf, die den Abrissbefehl gegen die Schule auf Eis gelegt hatte. Am nächsten Morgen erhalten wir einen Anruf von einem unserer Kontakte, dass Bulldozer und Armeefahrzeuge in Masafer Yatta unterwegs seien, um möglicherweise die Schule abzureißen.

Wir fahren nach Tuba, in das Nachbardorf der betroffenen Schule. Von dort aus laufen wir zu Fuß weiter nach Isfay al Fauqa. Weite Teile der Firing Zone 918 sind für Palästinenser:innen gesperrt und unser Fahrer hat Angst, dass sein Auto konfisziert werden könnte. Über uns kreisen Helikopter.

Als wir in dem Dorf ankommen, sind bereits 5 Militärjeeps, ein Bagger und ein Bulldozer vor Ort. Etwa 20 Soldat:innen haben einen Bereich um die Schule abgesperrt und sind dabei, Palästinenser und Palästinenserinnen von der Rückseite der Schule nach vorne zu bringen. Der Bulldozer und der Bagger befinden sich auf der Rückseite, dem Eingangsbereich der Schule. Nidal Younis, der Vorsitzende des Gemeinderates von Masafer Yatta berichtet, dass Knallgranaten benutzt worden seien, um die Kinder, ihre Eltern und Aktivist:innen zu erschrecken und aus der Schule zu holen.

Frauen und Kinder stellen sich den Soldat:innen vor der Zerstörung der Grundschule entgegen; © WCC-EAPPI/Christiane

Wir werden Zeuge chaotischer Szenen, als sich eine Menge Palästinenser:innen, angeführt vor allem von Frauen und Kindern, der Reihe von Soldat:innen entgegenstellt. Es gibt immer wieder Tumulte, während die Soldaten versuchen, die Menge von der Schule wegzudrängen. Ich erkenne auch Miriam, die wir noch bei unserem Besuch vor wenigen Tagen so zuversichtlich erlebt hatten, in der Menschenmenge. Jetzt ist sie empört. Sie wird mit den anderen Frauen, Kindern und Männern zurückgedrängt, aber immer wieder stellt sie sich mutig den Soldat:innen entgegen.

Bei einer Gelegenheit fällt ein etwa 5 Jahre alter Junge auf den Rücken und beginnt zu weinen, er wird schnell aufgefangen und getröstet. Viele Kinder weinen, wir hören Schreie und die Befehle der Soldaten. Vor allem die Jungen, die Fahnen tragen, werden von den Soldat:innen ins Visier genommen. Die Fahnen werden ihnen entrissen und weggeschafft. Ein etwa 12-jähriger Junge wird aus der Menge herausgeholt, von zwei Soldaten festgehalten und mit dem Kopf nach unten gedrückt, dann auf die Knie gezwungen, bevor er wieder in die Menge entlassen wird.

Eine Gruppe von Kindern stellt sich vor den in einer Reihe stehenden Soldaten und Soldatinnen auf und schreit sie laut an. Ein alter Mann aus dem Dorf schreitet immer wieder ein und versucht, die Kinder zu beruhigen. Doch die Wut und Verzweiflung der Kinder ist groß.

Als der Bagger beginnt, das Dach abzutragen, verstummt die Menge größtenteils, und wir sehen zu, wie die Schule in weniger als 30 Minuten abgerissen wird.

Zerstörung der Schule in Isfay al Fauqa am 23.11.2022; © WCC-EAPPI/Christiane

Nasser Nawaja, ein Fieldofficer der israelischen Menschenrechtsorganisation B’´Tselem, erzählt uns, dass ein ihm bekannter Siedler aus einem nahen illegalen Außenposten die Abrissfahrzeuge bediene. Eid Suleyman, ein lokaler Friedensaktivist, berichtet uns, dass er die Schule am Vortag zusammen mit japanischen und deutschen Vertretern im Rahmen eines diplomatischen Besuchs aufsuchte. Anschließend sprechen wir mit Yasser Mohammed, Direktor des Bildungswesens im Bezirk Yatta. Auch er weist darauf hin, dass noch gestern Vertreter der UNO und Vertreter aus Japan und Deutschland in diplomatischer Mission vor Ort waren: „Es hilft nichts. Sie sehen ja, wie wir behandelt werden.“

Trümmer der Schule von Isfay al Fauqa; © WCC-EAPPI/Christiane

Wir möchten von ihm wissen, wie es nun weitergeht und er antwortet: „Das Ziel der Besatzung ist es, Bildung zu verhindern. Das ist ein Verbrechen. Wir haben diese Schule gebaut, um die Kinder vor der militärischen Präsenz der israelischen Armee zu schützen und ihnen eine angemessene Ausbildung und Umgebung zu bieten. So wie es alle Schüler auf der Welt verdienen. Niemandem sollte es so ergehen. Nach dieser schrecklichen Aktion werden wir sofort ein Zelt bauen, in dem der Schulunterricht weitergeführt werden kann. Morgen werden Psychologen kommen, um den Abriss der Schule mit den Kindern aufzuarbeiten.

Schild an der provisorischen Toilette; © WCC-EAPPI/Christiane

Tatsächlich beobachten wir, wie schon bald ein erstes Schreibpult herangeschafft wird. Als wir ein paar Tage später wieder in den Ort kommen steht tatsächlich ein Zelt in den Trümmern, daneben eine provisorische Toilette mit einem Schild der europäischen Geldgeber.

Von der Vertretung der Europäischen Union in den palästinensischen Gebieten war in Folge der Zerstörung zu lesen: „Entsetzt über die Nachricht, dass ISF einen Tag nach einem diplomatischen Besuch mehrerer EU-Mitgliedstaaten die von Spendern finanzierte Sfai-Schule in Masafer Yatta im besetzten palästinensischen Gebiet abgerissen hat. Das Recht der palästinensischen Kinder auf Bildung muss respektiert werden.“[ii]

Christiane, im November 2022

Ich nehme für pax christi – Deutsche Sektion am Ökumenischen Begleitprogramm in Palästina und Israel (EAPPI) des Ökumenischen Rates der Kirchen teil. Diese Stellungnahme gibt nur meine persönlichen Ansichten wieder, die nicht unbedingt die von pax christi oder des  Ökumenischen Rates der Kirchen sind.

[i] Masafer Yatta ist eine Ansammlung von 19 kleinen palästinensischen Weilern südlich von Hebron, im vollständig von Israel kontrollierten C-Gebiet der Westbank. Ein Teil von Masafer Yatta wurde vor in den 1980er Jahren von der israelischen Armee als „Firing Zone 918“ deklariert und seither mit wechselnder Intensität für militärische Übungen genutzt. Zwölf traditionelle palästinensische Dörfer, die im Übungsgelände gelegen sind, erhielten 1999 sogenannte Evakuierungsanordnungen. Etwa 700 Einwohner:innen wurden Ende 1999 aus den Dörfern vertrieben, Häuser und anderes Eigentum wurden zerstört. Seit 2000 sind einige betroffene Familien gegen die Evakuierungsanordnungen gerichtlich vorgegangen. Am 4. Mai 2022 entschied der Oberste Gerichtshof Israels, dass es keine rechtlichen Hindernisse für die geplante Vertreibung der palästinensischen Bewohner:innen von Masafer Yatta gibt, um Platz für ein militärisches Übungsgelände zu schaffen. Z.Zt. sind mehr als 1000 Bewohner:innen akut von Zwangsräumung und Vertreibung bedroht.
Vgl.: Fact sheet: Masafer Yatta communities at risk of forcible transfer | June 2022 | United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs – occupied Palestinian territory https://www.ochaopt.org/content/masafer-yatta-communities-risk-forcible-transfer-june-2022

[ii] https://twitter.com/eupalestinians/status/1595372056899891200  besucht am 25.11.22, Übers.d.A.