Vor 28 Jahren kam in Deutschland ein Brettspiel auf den Markt, das zum größten Erfolg seit Monopoly werden sollte. In ihm erschließen und bebauen miteinander rivalisierende Siedler:innen unbewohntes Land. Ich musste häufig an dieses Spiel denken, wenn wir in der Region Bethlehem an den zahlreichen israelischen Siedlungen vorbeifuhren oder Vorfälle dokumentierten, die unmittelbar mit den Siedlungen in Zusammenhang standen. In der Westbank entstehen seit 1967 völkerrechtswidrige israelische Siedlungen da, wo seit Generationen bereits sehr viele Palästinenser:innen leben. Diese Menschen stehen zunehmend unter Druck, ihr Land aufzugeben, Platz zu machen für den mit hohem Tempo fortschreitenden Siedlungsbau. Für die Betroffenen ist es kein Spiel, sondern bitterer Ernst.
Ende April fahren Murad*, seine Frau Maryam* und deren Eltern wieder einmal hinauf zu ihrem kleinen Bauerngut in den Hügeln 10 km westlich von Bethlehem. Der 41jährige Murad ist pädagogischer Mitarbeiter in einer Einrichtung für Menschen mit Behinderungen. Murad ist aber auch Nebenerwerbsbauer – ein Beruf, den ich gut aus meiner Heimat kenne. Meine Eltern kamen beide von kleinen Bergbauernhöfen. Beide Betriebe – der eine in Tirol, der andere im Salzburger Land – werden heute von meinen Cousins im Nebenerwerb geführt. So ein kleines „Sacherl“, wie man in Österreich sagt, reicht nicht zum Leben, aber mit Fleiß und Kreativität kann es einen wichtigen Beitrag zum Familieneinkommen abgeben. Und vor allem lieben diese Kleinbäuerinnen und -bauern ihr Stück Land, das sie seit Generationen ererbt haben, und erfreuen sich an den von eigener Hand geschaffenen Produkten. Bei Murad und Maryam sind das vor allem Oliven und Weintrauben, daneben anderes Obst wie Pfirsiche und Aprikosen, sowie etwas Gemüse und Getreide. Siedlerspiel – Das Ringen palästinensischer Kleinbauern und -bäuerinnen um ihr Land weiterlesen
Moussas* Hof gehört zu der Ortschaft Qawawis, einer Ansammlung von Einzelgehöften eingezwängt zwischen den israelischen Siedlungen Mitzpe Yair, Susiya und Avigayil. 1500m südöstlich von Moussas Hof beginnt das militärische Sperrgebiet – auch bekannt als Firing Zone 918 – aus welchem die vom Obersten Gerichtshof Israels nach jahrelangem Verfahren für rechtmäßig erklärte erzwungene Umsiedlung von über 1.000 dort lebenden Menschen jederzeit umgesetzt werden kann.
Moussas Hofstelle liegt im sogenannten C-Gebiet, das unter vollständiger israelischer Kontrolle steht. Zum Glück gilt das Hauptgebäude des Hofes als Altbestand (in der Regel Gebäude, die vor Beginn der Besatzung errichtet wurden). Spätere Bauten wurden und werden von der israelischen Militärverwaltung (Civil Administaration) für illegal erklärt, sofern sie ohne deren Genehmigung errichtet wurden. Diese Genehmigungen sind jedoch in den allermeisten Fällen nicht zu bekommen. So hat Moussa im April 2015 eine Baustoppverfügung erhalten, als er einen Viehstall errichten wollte.
Bei einem gemeinsamen Iftar-Mal, dem abendlichen Fastenbrechen während des Ramadans, erzählt Moussa dem EAPPI-Team South Hebron Hills die Geschichte seines Hofes, der seit Generationen in Händen der Familie liegt. Für das Land verfügen sie über die notwendigen verschriftlichten Rechtstitel aus der osmanischen Zeit.
Eigentlich könnte sich Moussa glücklich schätzen. Sein Land umfasst ein fruchtbares Tal mit etwa 200 Olivenbäume, die ihm bis zu 10 Tonnen Oliven pro Jahr bescheren. Auf den fruchtbaren Böden an den Hangfüßen und im Unterhang hat er Gersten- und Weizenfelder angelegt. Ausgedehnte Weideberge mit einer Vielzahl an Futterpflanzen sowie Felsrücken, deren Oberflächenabfluss er bei Regen zum Füllen seiner zahlreichen Zisternen nutzt, runden seinen Besitz ab. Auf dem Hof gibt es Schafe, Hühner, einen Esel und etwas Gemüseanbau.
Vor 1967, d.h. vor Beginn der Besatzung und dem Entstehen der Siedlungen, konnte die ganze Familie gut vom Ertrag ihrer Ländereien leben. Der Erhalt der Bodenfruchtbarkeit auf den Ackerflächen erfolgte über eine Fruchtfolge aus Getreide, Linsen, Kichererbsen und Eintrag von Schafmist aus den Ställen. Die Braunredeböden sind sehr fruchtbar. Moussa erzählt uns, dass früher sogar Getreide bis Saudi-Arabien exportiert werden konnte. Die Weiden waren so ausgedehnt, dass es nicht zur Überweidung kam. Jahreszeitlich zogen sie mit der Herde, die aus bis zu 200 Tieren bestand, über Wochen tief in die Berge von Masafer Yatta.
Heute ist alles anders: Der Großteil von Masafer Yatta ist als militärisches Sperrgebiet für die Beweidung nicht mehr zugänglich. Die Wiesen in Siedlungsnähe sind ohne gewaltsame Konflikte kaum mehr zu beweiden. Die Getreidefelder werden von den Viehherden der Siedler zerstört, die Gerste, welche als Zufutter in der kargen Jahreszeit für die Schafe benötigt wird, kommt kaum mehr zur Reife. Moussa schätzt, dass die Viehherden der Siedler etwa 90% seiner Felder zerstört haben. Ähnlich sieht es bei seinen Nachbarn aus. Moussa hat die Konsequenzen gezogen und hält nur noch 20 Schafe, mehr gibt sein Land nicht mehr her. Es ist aber zu wenig, um eine Familie zu ernähren.
Ackerbau und Baumkulturen in Siedlungsnähe sind mittlerweile ein riskantes Unterfangen in den South Hebron Hills und in vielen Fällen nur per Genehmigung durch die Militärverwaltung – die nur für einzelne Tage ausgestellt wird – möglich. Ein bürokratisches Verfahren, das einer nachhaltigen Landwirtschaft entgegensteht.
Kommt es trotz Genehmigung zu Konflikten durch die benachbarten Siedler, wird das ganze Gebiet – so haben wir es häufig erlebt – kurzer Hand zum temporären militärischen Sperrgebiet erklärt. Eine Bearbeitung der Felder oder Olivenhaine ist dann nicht mehr möglich, die Genehmigung verfällt.
Nicht besser geht es Mahmoud* in Wedadie, dessen Hof im äußersten Süden der Westbank zwischen Grenzanlagen und der Industriezone Meitarim der Siedlung Shim‘a einschließlich Außenposten eingezwängt wird. Neben den Problemen der Bewirtschaftungen seines Landes, die er mit Moussa teilt, hat er noch ein ganz anderes, auf mittlere Sicht katastrophales Problem.
Auf Mahmouds Land greift die Wassererosion des Oberflächen-abflusses aus den degradierten Hängen bei Starkregen die Ackerböden an den Hangfüßen und im Tal an. Der bestehende Steinverbau wird unterspült. Die Erneuerung und Erweiterung der Steinmauern, wie ihn seine Vorfahren praktiziert haben, kann er sich zum Einen nicht leisten, zum Anderen weiß er nicht, ob er sich noch lange gegen die Siedlergewalt erwehren kann und aufgeben muss. Eine Investition in die Zukunft ist hier schlicht unwirtschaftlich. Da die benachbarten Siedlungen, die Grenzanlagen und die aktive Behinderung bei der Beweidung der Bergrücken in Siedlungsnähe seine Weidemöglichkeiten stark eingeschränkt haben, sind die ihm zugänglichen Flächen überweidet, der Oberflächenabfluss bei Starkregen signifikant erhöht.
Wir von EAPPI und andere Organisationen wie die israelische Solidaritätsgruppe Ta’ayush und die internationale Gruppe Center for Jewish Nonviolence versuchen, untereinander abgestimmt, über unsere Präsens beim Weidegang Mahmoud dabei zu unterstützen, wieder eine größeres Gebiet mit seiner Herde nutzen zu können. Auch in Siedlungsnähe wieder weiden zu können, würde die dem Hof nahen Weiden zumindest ein wenig entlasten.
Bepflanzung der von der Wassererosion angegriffenen fruchtbaren Böden in den Niederungen mit Oliven, Mandeln und Obstbäumen könnte der Erosion entgegenwirken und die wirtschaftliche Lage des Hofes stabilisieren, jegliche Versuche in der Vergangenheit wurden aber durch die Siedler zunichte gemacht. Entwurzelung von Baumkulturen wie Olivenhainen und Obstgärten sind eine gängige Praxis der Siedler, um den ortsansässigen Bauern die Existenzgrundlage zu entziehen.
Wie viele andere Bauern und Bäuern:innen, Hirten und Hirt:innen in dieser Gegend wissen Moussa und Mahmoud sehr genau, dass sie ihren Lebensunterhalt eigenständig und gut bestreiten könnten, im Einklang mit der Natur, so wie sie und ihre Familien es seit Generationen getan haben. Maßnahmen zur ökologischen und ökonomischen Stabilisierung der bäuerlichen Landwirtschaft der palästinensischen Bauern und Bäuerinnen werden von den Siedlern aber gezielt verhindert. Die natürlichen Lebensgrundlagen erodieren den Bauern quasi unter den Füssen weg. Solange sich an dieser besatzungsbedingten Situation nichts ändern, werden Menschen wie Moussa und Mahmoud weiterhin und zunehmend vor der Frage stehen, wie lange sie auf ihrem Land noch weiter leben und wirtschaften können.
Rudolf, im Juni 2023
* Namen geändert
Ich habe für pax christi – Deutsche Sektion am Ökumenischen Begleitprogramm in Palästina und Israel (EAPPI) des Ökumenischen Rates der Kirchen teilgenommen. Diese Stellungnahme gibt nur meine persönlichen Ansichten wieder, die nicht unbedingt die von pax christi oder des Ökumenischen Rates der Kirchen sind.
Omar* hat seinen Hof am Rande von Khirbet Shuweika, schon bei der Anfahrt des EAPPI Teams auf das Hofgelände fällt auf: Die Hofstelle ist umgeben von blühenden Obstbäumen, einem Olivenhain in vollem Saft und einem Gemüsegarten. Neben Ziegen, Schafen, Hühnern hält er auch Gänse.
Omars Hofgrundstück liegt in der B Zone, die unter geteilter palästinensischer und israelischer Verwaltung steht. Während die israelische Armee die Sicherheitskontrolle innehat, obliegt der palästinensischen Autonomiebehörde die Zivilverwaltung. Damit hat Omar einen relativ sicheren Zugang zum öffentlichen Wassernetz der Gemeinde Khirbet Shuweika, und das ist etwas, von dem seine palästinensischen Nachbarn im C-Gebiet zumeist nur träumen können, doch dazu später mehr.
Zwar ist das Wasser nicht ganz billig, Omar bezahlt pro Kubikmeter je nach Verbrauch im Schnitt 6 NIS. Er benötigt für seine Farm rund 85 Kubikmeter im Monat, für den Haushalt noch einmal 15 m³. Das sind stolze 600 NIS (etwa 125 Euro) im Monat, für einen palästinensischen Bauern eine Menge Geld. Aber sein Garten dient der Absicherung seiner Existenz. Denn seine anderen finanziellen Standbeine, Ackerbau und Viehhaltung, sind inzwischen bedroht.
Omars Probleme beginnen 50 m hinter seinem Haus, dort beginnt das C-Gebiet. Auch hier gehört das Land, das er bestellt und auf die er seine Herde bringt, ihm. Er baut hier Weizen und Gerste an, eigentlich eine einträgliche Sache. Aber wie fast überall in der Region werden regelmäßig Herden der Siedler auf sein Land getrieben und fallen über sein Getreide her. Während unseres Hofrundgangs kommt dann auch prompt die Nachricht: In den Hügeln südlich des Dorfes vertreiben Siedler die palästinensische Schaf- und Ziegenherde von einer Weide, die laut Omar auch ihm, bzw. seiner Großfamilie gehört. Ohne Wasser geht nichts weiterlesen
Ende April 2023 besuchten Mitarbeiter:innen diplomatischer Vertretungen aus zwölf Ländern, darunter auch Deutschlands, eine kleine Schule östlich von Bethlehem. Doch auch dieses Zeichen der Solidarität konnte den Abriss der Schule nicht verhindern.
Dina* und ihre Freundin Fatima* waren immer früh dran. Morgens viertel nach sieben, eine halbe Stunde vor Schulbeginn, war es noch angenehm kühl auf dem Schulhof. Im schmalen Schatten des Mimosenbuschs ließ es sich gut tuscheln und kichern, besonders über die Besucher:innen von fern her, die mehrmals in der Woche am Zaun standen und mit „Guten Morgen“ und „Wie heißt du?“ auf Arabisch ein Gespräch begannen, nur um dann nicht mehr weiter zu wissen. Dina konnte darüber lachen, aber die Achtjährige wusste auch, warum die kleine Gruppe Internationaler regelmäßig bei ihrer Grundschule hereinschaute.
Die häufige internationale Präsenz an der Schule von Jubbet Adh Dhib, einschließlich des Besuchs der Mitarbeiter:innen diplomatischer Vertretungen noch Ende April, hat nichts genützt. Schule und Schulhof gibt es nicht mehr. Die Büsche am Zaun haben die Bagger, die am Sonntag, 7. Mai, schon morgens halb vier mit der Zerstörung begannen, bei ihrem gewaltsamen Einsatz geknickt. Der Kampf für eine Schule weiterlesen
„Ökumenisches Begleitprogramm in Palästina und Israel“ – dafür steht die Abkürzung EAPPI. Schon in der Vorbereitung auf unsere Zeit im Land ist uns als wichtiger Gedanke mitgegeben worden: „Denkt immer daran, dass es ganz unterschiedliche Perspektiven auf eine Region, ein Land, einen Konflikt gibt.“ Ich denke, das war ein guter Rat und ich versuchte, ihn mir jeden Tag neu ins Gedächtnis zu rufen.
Ich bin davon überzeugt, dass wir im Leben immer durch unsere eigenen Brillen schauen. Ich kann zum Beispiel gar nicht anders, als durch eine Brille auf die Welt zu schauen, die dadurch gefärbt ist, dass ich ein Mann bin. Und Deutscher. Kulturelles Lernen und Lernen im Allgemeinen funktioniert aber oft so, dass man zeitweise und versuchsweise auch Sichtweisen von anderen einnimmt. Im Bild gesprochen schauten wir bei unserer Begleitung der Menschen im Rahmen des EAPPI vielleicht zeitweise zusätzlich zu unserer eigenen auch durch diese ihre Brillen.[1]
Vor Ort verbrachten wir einen Großteil unserer Zeit mit der Begleitung von Palästinenser:innen, die unter der Besatzung und mit deren Auswirkungen leben. Durch diese intensive Teilhabe an ihrem Alltag lernten wir viel über palästinensische Sichtweisen und Perspektiven. Auch die Palästinenser:innen, die wir begleiteten, haben ihre Brillen, die geprägt sind durch individuelle und kollektive Erfahrungen und Narrative.
Gleiches dachte ich, als unser Begleitprogramm etwa zur Halbzeit des Einsatzes einen besonderen Fokus auf jüdisch-israelische Perspektiven gelegt hat. Wir hatten spannende Begegnungen mit Israelis aus ganz unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen: So konnten wir uns mit einer Referentin unterhalten, die sich selbst dem national-religiösen Lager zuordnet. Besuch in Yad Vashem weiterlesen
Palästinensische Bauern in den South Hebron Hills fürchten um ihre Existenz
Nadim*, auch nach seinem erstgeborenen Sohn Abu Achmad genannt, hat seinen kleinen Bauernhof im Osten des palästinensischen Dorfs Mantiqat Shi’B al Butum. Es ist ein für die Gegend typischer Mischbetrieb: Schafe, Ziegen, ein paar Gänse, Kaninchen, ein Bauerngarten mit Gemüse, ein paar Olivenbäume und in den Talauen Getreidefelder für Futtergerste und Weizen.
Früher hatte Nadim noch zwei Nachbarn. Doch die sind längst weggezogen, sie haben dem Druck der Siedler und deren gewalttätigen Übergriffen nicht mehr standgehalten. Bisher lebte der Bauer hier mit seiner Frau und der 16jährigen Tochter. Die vier Söhne sind verheiratet und aus dem Haus. Sie arbeiten in Yatta, Ramallah oder als Arbeitsmigranten in Israel, und kommen an den Wochenenden zur Unterstützung. Vor einiger Zeit hat Nadim seine Frau und seine Tochter zu Verwandten geschickt – die Lage ist ihm unheimlich geworden. Eines Nachts erschienen Soldaten, um die Ausweise der Familie zu kontrollieren. Er und seine Familie haben hier seit Generationen ihren Sitz, das sei den Behörden einschlägig bekannt, berichtet er uns. Wozu also eine solche Kontrolle? Er fühlt sich unter Druck gesetzt, seiner Frau und der Tochter möchte er diesen Zustand nicht zumuten.
Nahezu täglich wird Nadim von Siedlern des benachbarten Siedlungsaußenpostens Avigayil bedrängt und bedroht. Es ist Frühling, seine Gersten- und Weizenfelder würden gedeihen, wären da nicht die Schafe und Ziegen der Siedler, die sich – geführt von jungen Siedlern – über seine Felder und die der anderen Gehöfte des Dorfes hermachen. Auch eine Strafanzeige von Nadim bei der israelischen Polizei hat bisher nichts an dieser Situation geändert. „Die Anzeigen liegen auf dem Polizeiposten in der Siedlung Kiryat Arba in der „Ablage“, so der verzweifelte Bauer. Wie lange noch können sie dem Druck standhalten? weiterlesen
„Wer Bäume pflanzt, hat noch Hoffnung für die Zukunft. Wer Bäume pflanzt, leistet gewaltlosen Widerstand. Wer Bäume pflanzt, sichert das Land. Wer Bäume pflanzt, wird aktiv.“ Aus dem Mund von Daoud Nassar, Mitglied der evangelisch-lutherischen Weihnachtskirche in Bethlehem, sind diese Worte nicht selbstverständlich, denn manch eine:r hätte nach einem jahrzehntelangen Kampf um das eigene Land sicherlich schon längst aufgegeben.
1991 erklärten die israelischen Behörden den Hof der Familie Nassar und das umliegende Gebiet zum „Staatsland“, obwohl die Familie im Besitz aller ursprünglichen Grundbucheintragungen aus den Jahren 1924/1925 ist und das Land bis heute kontinuierlich bewirtschaftet hat. Fünf israelische Siedlungen wachsen seit Jahrzehnten auf den Hügeln rund um die Farm. Seit den 90ern müssen die Nassars ihr Land vor israelischen (Militär)Gerichten verteidigen, sei es gegen den Abriss von landwirtschaftlichen Gebäuden, Wasserzisternen und Zelten oder gegen die vollständige Enteignung.
Im Jahr 2007 entschied der Oberste Gerichtshof Israels, dass die Nassars mit der von Israel geforderten Neuregistrierung ihres Landes beginnen können. In den folgenden fast 16 Jahren musste dieser Prozess mehrfach neu gestartet werden, zum Teil wegen verschwundener Unterlagen bei den Behörden oder wegen nicht vor Gericht erschienener Staatsanwälte und Zeugen. Festhalten an Zeichen der Hoffnung weiterlesen
Right to movement – unter diesem Titel hat sich im Jahr 2013 auf Initiative von jungen Palästinenser:innen und Dän:innen in Bethlehem eine Graswurzelbewegung gegründet, die es inzwischen an verschiedenen Orten im Westjordanland mit einem umfangreichen sportlichen Angebot gibt. Zugleich organisierte die Gruppe im selben Jahr auch den ersten Palästina-Marathon mit ca. 650 Teilnehmenden, der in den Folgejahren auf über 10.000 Teilnehmende anwuchs und mittlerweile von einem Gremium der palästinensischen Autonomiebehörde – dem Palestinian Higher Council for Youth and Sports – durchgeführt wird. In diesem Jahr fand die Veranstaltung am 10. März statt.
Die Wahl des Namens deutet schon auf das Anliegen hin. Das Recht darauf, sich frei bewegen zu können (im Deutschen etwas umständlich „Freizügigkeit“ genannt), wird sowohl im humanitären Völkerecht als auch in den Menschenrechten garantiert. In Fällen einer Besatzung wie in den palästinensischen Gebieten hat die Besatzungsmacht die Pflicht, den Menschen in den besetzten Gebieten diese Freiheit zu ermöglichen. Einschränkungen sind nach internationalem Recht u.a. aus Gründen der Sicherheit möglich, müssen aber unbedingt nötig und angemessen sein und dürfen niemanden diskriminieren. Laufen für Veränderung weiterlesen
25.Januar 2023, die Bewohner:innen des Dorfes Khashem al-Karem sind in angespannter Aufregung. Der palästinensische Bildungsminister und zahlreiche Vertreter:innen des diplomatische Korps haben sich zu einer Solidaritätskundgebung für die im Ort neu gebaute Schule eingefunden, unter ihnen auch ein Repräsentant des Deutschen Vertretungsbüros in Ramallah. Ende 2022 hat die Schule eine Abrissverfügung erhalten. Der Vorwurf: Sie wurde ohne Genehmigung der israelischen Behörden errichtet. Als Ökumenische Begleiter:innen des EAPPI Programms sind auch wir zu viert vor Ort, um Solidarität zu zeigen. Eine Jeepbesatzung des israelischen Militärs beobachtet die Szene aus der Ferne.
Bei Khashem al-Karem handelt es sich um ein palästinensisches Dorf von rund 500 Einwohner:innen, die von der Viehhaltung leben. Das Dorf liegt im äußersten Südosten der Westbank. Vor drei Monaten wurde hier mit Unterstützung einer Reihe europäischer Staaten, unter diesen auch die Bundesrepublik Deutschland, eine Grundschule mit angeschlossenem Kindergarten gebaut. Wie auf einem Schild am Gebäude zu lesen ist, möchten die finanzierenden Partner mit diesem Schulbau Palästinenser:innen unterstützen, die von erzwungener Umsiedlung bedroht sind. Doch was genau heißt das? Zerstörungsanordnung für eine Grundschule weiterlesen
An der Sperranlage[1], die Israel und die Westbank trennt, sieht man viele Graffitis. Seit der Errichtung der Mauer sind sie, wie hier in Bethlehem, künstlerischer Ausdruck des Widerstandes und der politischen Meinungs-äußerung. Manche der Graffitis drücken Verzweiflung aus, andere Schmerz und wieder andere Hoffnung.
Zu letzteren zählt auch eine Ikone von Maria, die seit 2010 zu sehen ist und von dem Künstler Ian Knowles geschaffen wurde. Inspiriert wurde sie durch eine Rede des damaligen Papstes Benedikt auf einer Sonderversammlung der Bischofssynode für den Nahen Osten im selben Jahr. Als Bild für die Christ:innen in der Region gebrauchte er ein Bild aus dem biblischen Buch der Offenbarung, in dem eine durch die Sonne bekleidete Frau unter Schmerzen ein Kind gebiert.
Knowles hat zu verschiedenen Gelegenheiten berichtet, was ihm an seiner Ikone wichtig ist: Maria fasst sich mit der Hand an die Stirn, als ob sie in großem Schmerz ist. Für den Künstler ist dieser Schmerz das Leiden der Christ:innen vor Ort unter der Besatzung. Our lady who brings down walls weiterlesen