Letzte Woche habe ich das Team in Tulkarem-Qalqilya für ein paar Tage besucht, um mehr über die dortigen Herausforderungen und Auswirkungen der Besatzung zu erfahren. Eine Aktivität sticht dabei besonders hervor: der Besuch der Gemeinde Deir Istiya. Wir trafen dort Rizek, Newaf und Mouyad, die uns baten, bei der Reparatur eines Brunnes anwesend zu sein.
Der Brunnen befindet sich auf dem Land von Mouyad im Wadi Qana, wo er Olivenbäume besitzt. Das Wort Wadi bezeichnet einen ausgetrockneten Flusslauf, meist ein tiefer Einschnitt in eine felsige Landschaft. Wadi Qana liegt östlich von Qalqilia, etwa 12 Kilometer von der Grünen Linie entfernt. Obwohl Wadi Qana offiziell als Naturreservat gilt, befinden sich dort mehrere israelische Siedlungen. Um die Siedlungen herum wird die Trennbarriere gebaut, trotz dem der Abstand zur Grenze nach Israel so groß ist. So werden nicht nur die hiesigen, tief in der Westbank liegenden Siedlungen, sondern auch Anbaugebiete palästinensischer Bauern vom Rest der Westbank abgeschnitten. Ob ein Zugang, z.B. über einen Checkpoint, nach Fertigstellung der Trennbarriere möglich sein wird, ist fraglich.
Noch ist das Land für Mouyad zugänglich, aber vor allem die Siedler aus Nofim und Yaqir, so sagt er, machen ihm schon heute das Leben schwer. Er erzählt uns, dass Siedler im letzten Jahr ungefähr 130 neue kleine Olivenbäume ausgerissen und dieses Jahr seinen Brunnen beschädigt haben. Als er im Herbst zur
Olivenernte auf sein Land gefahren ist, hat er gesehen, dass der Deckel des Brunnens beschädigt wurde und Siedler darin gebadet hatten. Während der Olivenernte kamen auch weiterhin regelmäßig Siedler und badeten im Brunnen. Mouyad ist verärgert und traurig: „Die Siedler haben Pools und Wasser so viel sie wollen in ihren Siedlungen. Warum müssen sie dann meinen kleinen Brunnen verschmutzen und mein kostbares Wasser benutzen?“. Er braucht den Brunnen für seine Olivenbäume und für seine Tiere.
Wir sind also mit ihm und seinen beiden Freunden zu seinem Land gefahren, um den Brunnen zu reparieren. Er hat Angst, dass ihn die Siedler angreifen, wenn sie sehen, wie er den Brunnen repariert. Deswegen ist er sehr dankbar, dass wir dabei sein können. Er ist überzeugt, dass durch unsere Anwesenheit die Siedler weniger bereit sind, ihn zu belästigen. Nach einer halben Stunde Traktorfahrt erreichen wir den Brunnen. Mouyad und seine Freunde bauen einen neuen Deckel ein. Das Ganze wird dann mit Zement befestigt und mit einem Schloss abgesperrt, damit nur noch Mouyad Zugang dazu hat.
Als wir nach getaner Arbeit wieder in der Gemeinde Deir Istiya ankommen erzählt uns Rizek etwas über seine Felder. Auch er besitzt ein Stück Land in Wadi
Qana, das er aber wegen der Siedlungen und Straßensperren nur noch sehr schwer erreichen kann. Was früher eine Stunde Fahrt war ist nun zu sechs Stunden geworden, weshalb er nur noch sehr selten zu seinem Land fährt, um sich um seine Olivenbäume zu kümmern. Er hat deswegen ein weiteres Stück Land in Wadi Qana gepachtet, das von Deir Istiya aus leichter zu erreichen ist. Dort hat er eine kleine Hütte gebaut als Stall für seine Schafe und die neugeborenen Lämmer. Außerdem lagert er dort Futter und andere Materialien für die Arbeit und schläft manchmal dort, wenn die Schafe ihre Lämmer kriegen oder es zu spät ist, um nach Hause zu fahren.
Letzte Woche hat Rizek eine Abrissanordnung für seine kleine Hütte erhalten. Wadi Qana liegt in den C-Gebieten (62% der Westbank), die unter vollständiger israelischer Kontrolle stehen. Baugenehmigungen bekommen Palästinenser in diesen Gebieten so gut wie nie. Während die israelischen Siedlungen wachsen liegt die Ablehnungsquote für palästinensische Bauanträge hier bei über 98%[1]. Auf der Anordnung von Rizek befindet sich das Emblem der Israel Nature and Parks Authority, die Abrissanordnung wird laut Rizek mit dem unerlaubten Bau in einem Naturreservat begründet. Er fragt sich, ob diese Regelungen denn nicht auch für die umliegenden Siedlungen gelten müssten.
Rizek muss seine Tiere und Utensilien nun von seinem Pachtland entfernen und muss die Hütte abreißen, andernfalls wird sie von den israelischen Behörden abgerissen und er muss die Kosten tragen. Er hat Kontakt zum Jerusalem Legal Aid and Human Rights Center (JLAC) aufgenommen und wir haben ihm weitere Nummern von Organisationen gegeben, die in solchen Situationen versuchen, Einspruch vor Gericht zu erheben oder anderweitig die Betroffenen zu unterstützen. Er hofft nun, dass er einen Aufschub der Zerstörung erwirken kann.
Rizek, Newaf und Mouyad sind EAPPI sehr dankbar, dass wir sie begleiten und sie unterstützen, wo wir können: „Ihr zeigt uns, dass wir nicht vergessen wurden und ihr euch für uns einsetzt“. Außer uns, so erzählt es Mouyad, kommen auch regelmäßig israelische Gruppen, die den Bauern z.B. Olivenbaumsetzlinge bringen und sie dann gemeinsam mit ihnen pflanzen, um so ein Zeichen für Frieden und für das Ende der Besatzung setzen.
Vanessa, Dezember 2017
[1] http://www.btselem.org/planning_and_building