Gedanken und Fürbitte zur Olivenernte 2021 in Palästina

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Barmherziger Gott, lass uns die Bauern und Bäuerinnen in Palästina sehen und dafür eintreten, dass sie die Früchte ihrer Bäume und ihrer Arbeit ernten können, so wie das bei uns selbstverständlich ist. Wir bitten Dich, Herr erbarme Dich!

Wir bitten Dich für Israelis und Palästinenser*innen, die in diesem Jahr trotz zahlreicher Beschränkungen in die Dörfer der Westbank fahren werden, um bei der Ernte zu helfen: Schenke Ihnen Mut, Energie und Erfahrungen des friedlichen Miteinanders, die sie in ihrem Engagement für einen gerechten Frieden bestärken sollen. Wir bitten Dich, Herr erbarme Dich!

Lass unsre Regierenden deutlicher sein in ihrem Bemühen um ein Ende der israelischen Besetzung der palästinensischen Gebiete, damit alle Menschen im Heiligen Land ohne Anfeindungen, ohne Angst voreinander und im Frieden arbeiten und ernten können! Wir bitten, Herr erbarme dich!

Eine Handvoll Oliven bei der Ernte nahe Ramallah; Foto © EAPPI

Von Ende September bis Mitte November findet in Palästina traditionell die Olivenernte statt. Es gibt mehr als 10 Millionen Olivenbäume im Westjordanland, bis zu 100.000 Familien sind zur Sicherung ihres Lebensunterhalts auf die Olivenernte angewiesen. Die Ernte ist harte Arbeit, aber auch ein gesellschaftliches Ereignis. Familien treffen sich in den Olivenhainen, das Lachen von Kindern erklingt ebenso wie die Geschichten der Großmütter und Urgroßväter. Die besonders sportlichen steigen in die Bäume, um besser an die Früchte zu kommen. Andere stehen auf Leitern, wieder andere lesen die Oliven von den großen Planen, die unter den Bäumen liegen und sortieren sie. Zwischendurch gibt es Tee, arabischen Kaffee und kleine Mahlzeiten, Lieder werden gesungen.

Doch die Olivenernte ist auch eine Zeit der Beschränkungen und Übergriffe. In den vergangenen Jahren haben Bewegungseinschränkungen, die Verweigerung des Zugangs zu und die Enteignung von Privatgrundstücken, der Abriss landwirtschaftlicher Gebäude, der Bau von Siedlungen sowie gewaltsame Angriffe und Belästigungen durch extremistische Siedler unter den betroffenen palästinensischen Bauern, Bäuerinnen und ihren Familien zu Verletzungen, zur Zerstörung oder Beschädigung von Hunderttausenden von Bäumen und zu einem erheblichen Einkommensverlust geführt.

Olivenernte in der „Seam Zone“*

Ein Landwirtschaftscheckpoint in der Nähe von Tulkarem; Foto © EAPPI

Die sogenannte „Seam Zone“ ist das Gebiet zwischen der Grünen Linie (Waffenstillstandslinie von 1948 zwischen Israel und der Westbank) und der israelischen Trennbarriere, die teilweise kilometer-weit in die Westbank hineinreicht und so vor allem landwirtschaftliche Flächen von den palästinensischen Dörfern abschneidet. Palästinensischer Zugang zu Land und Olivenhainen in der „Seam Zone“ wird von den israelischen Behörden erheblich behindert. Von 69 landwirtschaftlichen Checkpoints, die Zugang zur „Seam Zone“ gewähren, öffnen 48 ausschließlich während der Zeit der Olivenernte. Dadurch ist es den Bauern und Bäuerinnen nicht möglich, die Bäume zu pflegen (Pflügen, Beschneiden, Düngen sowie Schädlings- und Unkrautbekämpfung), was zu einem erheblichen Rückgang des Ertrags führt.

Nur 11 der landwirtschaftlichen Tore öffnen täglich 2-3mal für kurze Zeiten des Übergangs. Palästinenser*innen können die landwirtschaftlichen Kontrollpunkte nur mittels Passierschein überqueren. Die Ablehnungsrate liegt seit 2016 jedes Jahr teilweise weit über 50%. Die Wenigen, denen der Zugang gewährt wird, sind beim Gang durch die Checkpoints häufig Schikane durch die Soldat*innen ausgesetzt.

Olivenhaine in der Umgebung israelischer Siedlungen*

Laut UNOCHA-OPT müssen für den Zugang zu etwa 1390 Hektar Land nahe Siedlungen von Palästinenser*innen Passierscheine beantragt werden. Weitere 1350 Hektar gelten als Zonen, in denen es zu Übergriffen durch Siedler*innen kommen kann. Teilweise ist hier ein Zugang für Palästinenser*innen nur durch vorherige Koordination mit der israelischen Armee und Präsenz von Soldat*innen möglich.

Armeepräsenz bei der Olivenernte; Foto © EAPPI

Als Besatzungsmacht obliegt es gemäß der IV. Genfer Konvention Israel, für die Sicherheit der Bevölkerung in den besetzten Gebieten zu sorgen. UNOCHA-OPT verzeichnete 2020 während der Zeit der Olivenernte 40 Übergriffe von Siedler*innen auf Palästinenser*innen und ihr Eigentum. Dabei wurden 26 Personen verletzt. Etwa 1.700 Bäume wurden beschädigt und über 1.800 Bäume waren mutmaßlich bereits von Siedler*innen abgeerntet und die Ernte gestohlen worden.

Aufgrund dieser Situation wurde in den vergangenen Jahren, koordiniert vom lokalen Büro des Hohen Kommissars für Menschenrechte, der Einsatz einer Schutzpräsenz zur Unterstützung palästinensischer Familien während der Olivenernte an 90 gefährdeten Orten im gesamten Westjordanland organisiert. Auch Ökumenische Begleiter*innen haben jedes Jahr in zahlreichen Gemeinden durch ihre Präsenz und aktive Mithilfe einen Beitrag geleistet für einen friedlichen Ablauf der Ernte. Wie schon im vergangenen Jahr wird auch 2021 aufgrund der COVID‐19‐Pandemie an den meisten dieser Orte keine ähnliche Schutzpräsenz ‐ einschließlich israelischer und ausländischer Freiwilliger ‐ vorhanden sein.

Quellen für Updates während der Olivenernte:

https://www.facebook.com/EAPPI.Netzwerk.Deutschland/ – EAPPI Netzwerk Deutschland e.V.

https://www.ochaopt.org/ – United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs

https://www.btselem.org/ – The Israeli Information Center for Human Rights in the Occupied Territories

* Die dem Text zugrundeliegenden Fakten stammen aus der Veröffentlichung von UNOCHA zur Olivenernte 2020: https://www.ochaopt.org/content/2020-olive-harvest-season-low-yield-amidst-access-restrictions-and-settler-violence

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