To exist is to resist – Resilienz und Gastfreundlichkeit

Tee, Zatar, Olivenöl, frisches Brot, Haloumi – alles wird geteilt. © EAPPI
Tee, Zatar, Olivenöl, frisches Brot, Haloumi – alles wird geteilt. © EAPPI

Wenn es eine Rangliste mit den gastfreundlichsten Menschen der Welt gäbe, ich bin sicher, die Palästinenser würden unangefochten an der Spitze stehen. Es beginnt meist mit dem arabischen Kaffee. Ob wir nun spontan eine Familie besuchen, einen Vorfall dokumentieren, einen Schäfer beim Hüten seiner Schafe begleiten oder zu einem offiziellen Termin eingeladen sind, an erster Stelle wird uns Kaffee oder Tee angeboten. Oft werden auch noch leckere hausgemacht Süßigkeiten gereicht oder man wird gleich zum Mittagessen eingeladen. In Yanoun werden wir bei unseren Spaziergängen durch das Dorf mit palästinensischen Gerichten oder frischem Obst und Gemüse beschenkt und manchmal bringt ein lieber Nachbar auch spontan etwas vorbei.

Großmutter mit Enkel, Familie ist für viele in Palästina das wichtigste © EAPPI
Großmutter mit Enkel; Familie ist für viele in Palästina das wichtigste © EAPPI

Doch es ist nicht nur die Tatsache, dass die Menschen die wenigen Dinge, die sie haben, mit uns teilen, es ist auch die Art und Weise, in der wir empfangen werden. Selten habe ich so eine Wärme und Gastfreundlichkeit gespürt wie hier. Egal zu welcher Uhrzeit und an welchem Tag wir vorbeikommen, stets werden wir wärmstens empfangen und die Menschen haben Lust, sich zu unterhalten, sind interessiert an uns. Auch wenn sie nur zehn englische Wörter kennen und wir ebenso wenige arabische Wörter, schaffen wir es, uns mit Händen und Füßen zu unterhalten und dabei Spaß zu haben.

Auf zwei Hochzeiten waren wir auch schon eingeladen. Männer und Frauen haben getrennt gefeiert und ich hatte die Gelegenheit, bei beiden Festen mitfeiern zu dürfen. Ich konnte die Männer beim Tanzen des „Dabke“ beobachten und wurde von den Frauen in ihren Tanzkreis aufgenommen. Die Lebensfreude, die von den Menschen, die wir bisher getroffen haben, ausgeht, ist wirklich außergewöhnlich. Sie lachen unheimlich gerne, innerhalb der Familie wird viel gescherzt und liebevoll mit- und übereinander gelacht. Obwohl diese Menschen unter sehr schwierigen Umständen leben, strahlen die meisten pure Freude aus.

Vor kurzem haben wir eine Familie besucht, deren Autos vor ihrem Haus angezündet wurden. Als wir dort morgens ankamen (natürlich wurde uns zunächst Kaffee angeboten) unterhielten wir uns mit den Frauen aus dem Dorf und fragten die Besitzerin  der Autos, wie es ihr gehe. „Alhamdulillah“  (Gott sei Dank!) sagte sie und lächelte uns an, es gehe ihr gut. Wir waren erst etwas verwundert, sie wirkte nicht besonders geschockt. Dann sagte sie, dass es ihren Kindern gut gehe und dass das Wichtigste sei. Anschließend wurde uns ein Teller mit Brot und Hummus in die Hand gedrückt und das Thema war durch. Wir haben einige dieser Gespräche geführt. Die Menschen leiden unter der Besatzung und ihren Folgen, aber sie beweisen auch eine große Resilienz. Der Zusammenhalt in der Familie ist hier unheimlich wichtig und eine große Ressource für die Menschen.

Beduine aus dem Jordantal ©EAPPI
Beduine aus dem Jordantal ©EAPPI

Doch auch der Bezug zum Land hat eine große Bedeutung. „Ein Olivenbaum ist wie ein Kind“ sagen die Palästinenser oft liebevoll. Ein besonders resoluter älterer Beduine aus dem Jordantal erzählte uns, wie israelische Siedler ihn immer wieder beim Hüten seiner Schafe belästigt und angegriffen haben. „Aber ich lasse mich nicht unterkriegen, das ist seit vielen Jahren das Land meiner Familie und ich werde es nur in einem Sarg verlassen.“ Dabei schaute er uns mit stolz geschwellter Brust an und ich glaubte ihm jedes Wort.

„To exist is to resist“ kann man hier häufig  als Graffiti lesen; die meisten Palästinenser, die wir getroffen haben, füllen diesen Satz mit Bedeutung und Lebensfreude.

Anja, August 2018

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