Target – für Freiheit, Gerechtigkeit und Gleichberechtigung

Familien beim Drachenfestival in Burin © TRDA
Familien beim Drachenfestival in Burin © TRDA

“Gib einem Menschen einen Fisch, und du ernährst ihn einen Tag, lehre ihn das Fischen, und du ernährst ihn ein Leben lang“. Für Ghassan, Mitbegründer der Organisation Target (Target Association for Rural Development)[1], ist dies ein zentrales Motto in seiner täglichen Arbeit mit den Jugendlichen in seiner Heimat Burin, einem Dorf südlich von Nablus.

Target ist ein Graswurzelprojekt, das vielfältige Aktivitäten für Jungen und Mädchen zwischen 12 und 17 Jahren bietet. Dazu gehören die jährliche Summerschool und das Kite Festival in Burin, Tanzaufführungen in verschiedenen Städten sowie Workshops für Kunst und Malerei. Längst schon ist Target über die Grenzen Burins hinaus bekannt. An großen Veranstaltungen nehmen teilweise mehr als hundert Kinder aus entfernten Dörfern, Städten und Flüchtlingslagern teil. Internationale Freiwillige und Einheimische bieten außerdem regelmäßig Fremdsprachenkurse an, aber auch Seminare z.B. über Problematiken wie sexuelle Belästigung. Da Burin[2] von den Siedlungen Yitzhar und Har Bracha umgeben ist und es häufig zu Übergriffen von Siedlern oder Soldaten kommt können Kinder bei Target auch das richtige, gewaltfreie Verhalten in solchen Situationen erlernen.

Von Target organisierter Auftritt der Palestinian Circus School in Burin © TRDA
Von Target organisierter Auftritt der Palestinian Circus School in Burin © TRDA

Target begann vor 13 Jahren mit fünf Jugendlichen und der Idee, Burin von Müll zu befreien und sauber zu halten. Bereits zwei Jahre später eröffneten die fünf ein Kulturzentrum für Jungen in Burin und boten die ersten Workshops an. Im Jahr 2010 wurden Ghassan und seine vier Freunde von der israelischen Armee verhaftet. Laut Ghassan wurde das Zentrum von den israelischen Behörden als ein Ort der Aufwiegelung von Jugendlichen gegen die Besatzung gesehen. Erst nach einem Jahr wurden seine vier Mitstreiter und nach einem weiteren halben Jahr Ghassan freigelassen. In dieser Zeit, so beschreibt er, hat er viel über das Projekt nachgedacht, auch darüber, aufzugeben. Er entschied sich jedoch nach seiner Freilassung dafür, weiterzumachen, auch ohne die damaligen vier Mitgründer, die nach ihrer Freilassung weitere Probleme für sich und ihre Familie fürchteten und deshalb aus dem Projekt ausstiegen.

Die gemischte Tanzgruppe beim Training © TRDA
Die gemischte Tanzgruppe beim Training © TRDA

Ghassan entschied sich in dieser Zeit dazu, zum ersten Mal Mädchen in das Projekt aufzunehmen. Dass dies, damals wie heute, bei manchen Familien im Dorf auf Unmut stößt, ist ihm bewusst. Er sieht aber besonders in den Mädchen viele Talente, die nicht ausreichend gefördert werden. Empowerment bedeutet für Ghassan, den Mädchen zu zeigen, welche Kraft in ihnen steckt. Aus seiner Sicht führen manche lokale kulturelle Gegebenheiten dazu, die Stärken der Frauen einzuschränken oder auf bestimmte Handlungsbereiche zu reduzieren. Er schätzt die sozialen Normen in seiner Heimat in Bezug auf die zwischenmenschlichen Beziehungen und den Zusammenhalt der Familien sehr, spricht aber gleichzeitig auch über Missstände im Hinblick auf Gleichberechtigung und Gerechtigkeit.

Als wir ihn treffen erzählt Ghassan uns, dass er am Tag zuvor zum Verhör nach Nablus fahren musste. Dieses Mal drohten Beamte der palästinensischen Autonomiebehörde ihm damit, Target zu schließen. Sein Engagement und seine Meinungsäußerungen sind scheinbar auch den palästinensischen Behörden ein Dorn im Auge. Nach zwei Stunden haben ihn die Beamten freigelassen. Er sagt er kenne derartige Einschüchterungsversuche bereits, von der Weiterarbeit halten sie ihn nicht ab.

Ghassan beschreibt die Kinder als Zukunft Palästinas und möchte ihnen nicht nur vermitteln, wie wichtig Bildung und Durchhaltevermögen sind, sondern sie auch ermutigen, über die Grenzen der einheimischen Kultur hinaus zu denken. Target möchte die Handlungskompetenzen der Kinder und ihre Selbstbestimmung fördern.

Die Kerngruppe von Target aus Burin umfasst etwa 22 Kinder und Jugendliche, Jungen und Mädchen. Vor kurzem waren sie eingeladen, eine Dabke[3] Tanzaufführung in Ramallah vor großem Publikum aufzuführen. Als uns Ghassan das Video von der Aufführung zeigt sind wir sehr beeindruckt vom Können der kleinen Tänzerinnen und Tänzer.

Ghassan im Gewächshaus © EAPPI
Ghassan im Gewächshaus © EAPPI

Doch die Arbeit der Organisation geht auch über das Engagement mit Kindern und Jugendlichen hinaus. Seit dem letzten Jahr betreibt der mittlerweile 28-Jährige Ghassan mit sechs Freunden zwei Gewächshäuser, in denen sie Tomaten anbauen. Und sie haben sieben Felder angelegt mit Kräutern wie Salbei und Zaatar. Jeden Freitag werden fünf Familien aus Burin eingeladen, kostenlos in den Gewächshäusern Tomaten zu ernten. Auch uns schenkt er eine große Tüte voll Tomaten und akzeptiert als Gegenleistung nur ein Dankeschön. Mit diesem neuen Projekt möchte er seiner Idee einer politischen und ökonomischen Unabhängigkeit von Burin ein Stück näher kommen, wenngleich finanzielle Beschränkungen und regelmäßige Übergriffe der israelischen Armee auf Burin laut Ghassan dem Projekt Schwierigkeiten bereiten.

Die Erfahrungen aus Gefängnisaufenthalten und Interventionen von israelischen und palästinensischen Behörden scheinen Ghassan nicht aufhalten zu können. Er lässt sich bis heute nicht entmutigen und kämpft mit Hilfe von Bildung und Kultur für Veränderungen in der eigenen Gesellschaft und für ein Ende der Besatzung.

Susanne, Dezember 2018

Ich nehme für das Berliner Missionswerk (BMW) am Ökumenischen Begleitprogramm in Palästina und Israel (EAPPI) des Ökumenischen Rates der Kirchen teil. Diese Stellungnahme gibt nur meine persönlichen Ansichten wieder, die nicht unbedingt die des BMW oder des Ökumenischen Rates der Kirchen sind.

[1] https://www.facebook.com/target.tard/

[2] http://peacenow.org.il/en/settlements/settlement458-en

[3] Palästinensischer Volkstanz

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