Nawal hat es geschafft: Eine Schule für Al Jiftlik

Nach einem Treffen mit Nawal, einer Englischlehrerin in Al Jiftlik (Jordantal)[i], waren wir voller Hoffnung, weshalb ich dieses Interview gerne teilen würde. Diese beeindruckende Frau zeigt, dass ein Festhalten an der Vision von Frieden und einem Ende der Besatzung möglich ist, und sie kann uns allen Hoffnung geben.

Karte © UNOCHA. In unmittelbarer Nähe der Gemeinde Al Jiftlik befindet sich eine große israelische Militärbasis (grau), Trainings- und Schießgelände (grau gepunktet), mehrere israelische Siedlungen (weinrot) und der Checkpoint Hamra (blau).
Karte © UNOCHA. In unmittelbarer Nähe der Gemeinde Al Jiftlik befindet sich eine große israelische Militärbasis (grau), Trainings- und Schießgelände (grau gepunktet), mehrere israelische Siedlungen (weinrot) und der Checkpoint Hamra (blau).

Erzählen Sie uns doch ein bisschen über sich selbst und Ihre Familie.

„Ich bin Nawal, 48 Jahre alt und meine Familie kommt ursprünglich aus der Nähe von Haifa, wo wir etwa 10 Dunum Land besaßen. 1948 wurde meine Familie vertrieben und seitdem leben wir in Al Jiftlik. Ich bin nicht verheiratet, da ich mich lieber auf meine Karriere konzentrieren wollte.“

Nawal in Al Jiftlik; ©EAPPI
Nawal in Al Jiftlik; ©EAPPI

Welchen Beruf üben Sie aus?

„Ich bin Englischlehrerin an einer weiterführenden Schule in Al Jiftlik. Ich unterrichte hauptsächlich 16-18 Jährige Mädchen und Jungen. Außerdem bin ich sehr aktiv im Gemeinderat, wo ich vor allem für Infrastruktur zuständig bin.“

In Al Jiftlik gab es lange Zeit nur eine Grundschule. Wie kam es dazu, dass Sie sich für den Bau einer weiterführenden Schule eingesetzt haben?

„Ich war die erste Frau aus Al Jiftlik, die an die Universität gegangen ist. Ganz früh merkte ich schon, dass ich nicht nur studieren möchte, sondern mich auch für Bildung einsetzen wollte. Ich hatte die Idee, in Al Jiftlik eine weiterführende Schule zu bauen, da es nur eine Grundschule gab. Die Kinder mussten für die weiterführende Schule jeden Tag nach Al Aqaba, wofür sie den Hamra Checkpoint durchqueren mussten. Da der Checkpoint willkürlich geöffnet und geschlossen wurde, kam es teilweise vor, dass die Schulkinder nachts nicht nach Hause oder morgens nicht in die Schule kamen. Die Kinder konnten also nur sehr unregelmäßig zur Schule gehen und der Schulweg war sehr belastend für sie, weil sie über den Checkpoint mussten und jeden Tag Kontakt mit israelischen Soldaten hatten. So kann kein Kind lernen, weshalb eine Schule in Al Jiftlik immer wichtiger wurde.“

Wie sind Sie dieses große Projekt angegangen?

„Al Jiftlik liegt im Bereich C, wo Israel volle militärische und zivile Kontrolle hat. Baugenehmigungen zu bekommen ist dort so gut wie unmöglich. Meine Idee war dann eine Schule aus Zelten aufzustellen. 44 Schülerinnen und Schüler hatten wir in unserem ersten Jahrgang.“

Wie ging es weiter?

„Leider waren die Zelte natürlich kein guter Lernort. Im Sommer ist es heiß und stickig, im Winter kalt und bei Regen wurden wir alle nass. Schließlich haben wir die Zelte abgebaut und Wellbleche aufgestellt. Das war etwas besser, aber hat trotzdem nicht gereicht. Wie sollen sich die Kinder konzentrieren, wenn der Regen laut auf das Dach fällt? Es wurde mit jedem Tag offensichtlicher, dass wir ein richtiges Schulgebäude brauchen. Viele Gebäude in Al Jiftlik wurden jedoch schon damals von den israelischen Behörden zerstört, weil sie keine Baugenehmigungen hatten. Die Schule wäre also vielleicht sofort wieder zerstört worden, hätten wir sie ohne Genehmigung gebaut.“

Die weiterführende Schule von Al Jiftlik; ©EAPPI
Die weiterführende Schule von Al Jiftlik; ©EAPPI

Das heißt, Sie haben eine Baugenehmigung bekommen?

„Unser Fall wurde ziemlich bekannt. Internationale Organisationen, die Presse und UN-Organisationen haben unsere Zelte besucht, sogar Tony Blair kam zu uns, und alle waren schockiert, wie die Kinder bei teils 45 Grad lernen sollen. Das Recht auf Bildung war allen wichtig. Nach so viel Druck auf die israelischen Behörden bekamen wir schließlich die ersehnte Baugenehmigung und konnten mit internationaler Finanzierung die Schule endlich bauen.“

Das ist wirklich beeindruckend. Sie sind sicher stolz auf Ihre Schülerinnen und Schüler?

„Ich bin unglaublich stolz. So viele Jugendliche konnten dank der Schule ihr Recht auf Bildung wahrnehmen und dadurch Hoffnung auf eine bessere Zukunft bekommen. Ein ehemaliger Schüler von mir macht gerade seinen Doktor in Japan. Es gibt kaum etwas Schöneres für eine Lehrerin als den Erfolg ihrer Schüler.“

Wovon träumen Sie?

„Ich sehe ein freies Palästina, und die Möglichkeit, unser Stück Land in der Nähe von Haifa zu besuchen und auf das Meer schauen zu können. Am allerwichtigsten jedoch: Ich will nie wieder eine palästinensische Frau um ihr Kind weinen sehen. Genauso wie ich nie wieder eine israelische Frau um ihr Kind weinen sehen will.“

Wie sieht die Zukunft für Israel und Palästina ihrer Meinung aus?

„Die politische Lösung kommt von unsern Politikern. Die Hauptsache ist, dass endlich Frieden herrscht, die Besatzung und die Gewalt beendet wird.“

Was ist das erste, was Sie machen, wenn die Besatzung endet?

„Ich werde zum Haram ash-Sharif in Jerusalem gehen und in der Al Aqsa Moschee für unseren Frieden beten. Und ich würde regelmäßig  meinen kranken Onkel in der Nähe von Haifa besuchen.  Das ist im Moment nicht möglich für mich, weil ich auch dafür eine Genehmigung der israelischen Behörden brauche, die nicht leicht zu bekommen ist.“

Vanessa, März 2018

[i] Die Gemeinde Al-Jiftlik besteht aus mehreren Teilen, die im vollständig von Israel kontrollierten C-Gebiet der Westbank liegen. Gleichzeitig ist Al-Jiftlik die einzige palästinensische Gemeinde im Jordantal, für die israelische Behörden einen Bebauungsplan genehmigt haben (https://www.btselem.org/jordan_valley/al_jiftlik). Jedoch stellte sich heraus, dass nur 60% der schon bebauten Dorffläche in den Masterplan eingegangen waren. Daher kommt es bis heute, zuletzt am 24.1.2018, zu Hauszerstörungen in den übrigen Teilen von Al-Jiftlik. Ein Antrag Deutschlands zur Genehmigung eines Projekts zur Rehabilitierung des Wasserverteilungsnetzwerks in Al Jiftlik wurde von den israelischen Behörden abgelehnt (http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/120/1812023.pdf). In unmittelbarer Nähe der Gemeinde befindet sich eine große israelische Militärbasis, Trainings- und Schießgelände, mehrere israelische Siedlungen und der Checkpoint Hamra (siehe Karte).

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner