Ramadan Kareem

Vom 5. Mai bis zum 3. Juni war Ramadan und die muslimische Bevölkerung des Westjordanlands fastete. Das öffentliche Leben war verlangsamt, kein Restaurant hatte auf und die Läden öffneten erst nachmittags. Die Menschen gingen später zur Arbeit und ruhten sich tagsüber, bei Temperaturen über 30 °C, so viel wie möglich aus. Auch die Gastfreundschaft war anders: Mit der gleichen Selbstverständlichkeit, mit der im Rest des Jahres bei jeder Gelegenheit Kaffee oder Tee angeboten wird, fiel dies nun weg. Auch für uns EAs bedeutet Ramadan, aus Respekt tagsüber im öffentlichen Raum weder zu trinken, noch zu essen oder auch zu rauchen.

Die hitze- und fastenbedingte Trägheit wurde einmal in der Woche unterbrochen. An den Freitagen machten sich Zehntausende auf, zu den Checkpoints[1] nach Jerusalem, um in der Al-Aqsa-Moschee zu beten.

Frauen auf dem Weg zum Checkpoint 300 in Bethlehem; Foto © EAPPI
Frauen auf dem Weg zum Checkpoint 300 in Bethlehem; Foto © EAPPI

Als EAs ist es unsere Aufgabe, die Umsetzung des Rechts auf freie Religionsausübung zu dokumentieren, zu dem auch der Zugang zu religiösen Stätten gehört. Wir zählten, wie viele Menschen die Checkpoints passierten; die Zahlen wurden am Ende an die UN übermittelt. Unsere internationale Präsenz soll gleichzeitig möglichen Übergriffen vorbeugen.

Jeden Freitag standen unsere Teams von fünf Uhr früh bis zum Mittag an den Übergängen. Jeder Checkpoint hatte unterschiedliche Zugänge. Es gab insgesamt drei Eingänge, für Frauen, für Männer und für „humanitäre“ Fälle[2], die voneinander getrennt waren. Auch gab es an diesen Freitagen besondere Regelungen, die mehr Menschen den Zugang nach Jerusalem ermöglichten. So durfte in diesem Jahr an den Freitagen im Ramadan jedes Mädchen und jede Frau die Grenze ohne Passierschein überqueren. Bei den Männern wurde nach Alter differenziert. Nach offiziellen Angaben durften Männer über 40 und Jungen unter 16 an diesen Tagen ohne Passierschein durch die Checkpoints, während alle zwischen 30 – 40 einen solchen für den Übergang zum Zwecke der Religionsausübung beantragen mussten. Jungen Männern zwischen 16 und 30 war der Übergang per se nicht gestattet.

Wartende am Eingang für die Frauen, Bethlehem Checkpoint 300; Foto © EAPPI
Wartende am Eingang für die Frauen, Bethlehem Checkpoint 300; Foto © EAPPI

Doch wie sah die Realität an den Checkpoints aus? Ich habe zwei Freitage miterlebt. Am ersten Ramadanfreitag in Bethlehem am Checkpoint 300 war der Männerzugang sehr unübersichtlich. Die Straße ist eng und der Eingang für humanitäre Fälle lag direkt daneben. Schnell bildete sich ein Gemenge an Menschen, die bei hellem Sonnenschein und 30 °C ihren Zugang suchten, sich ihren Weg mit ihren Krücken oder Rollstühlen bahnten oder bereits abgelehnt wurden und nun draußen warteten. Beim Fraueneingang lief es besser, dank einer breiteren Straße und dem allgemein schnelleren Durchgang, da die Frauen keine Passierscheine benötigten und so die Kontrollen zügig vorangingen. Insgesamt verlief der ganze Tag friedlich. Die Übergänge wurden zweimal für wenige Minuten gesperrt. Laut israelischer Seite, weil sie auf neue Busse für den direkten Transport zur Al Aqsa Moschee warten mussten.

Am zweiten Ramadanfreitag am Checkpoint Qalandia war der Zugang für Männer deutlich breiter und der Eingang für humanitäre Fälle etwas abseits. Somit gab es deutlich weniger Verwirrung als in Bethlehem. Auch gab es Sonnensegel über den Zugang, die die brütenden 37 °C etwas erträglicher machten. Im Unterschied zum Checkpoint 300 war dafür der Zugang für Frauen eng und von Autos zugeparkt, hier kam es in den Stoßzeiten zu dichtem Gedränge.

Zugang für die Männer am Qalandia Checkpoint; Foto © EAPPI
Zugang für die Männer am Qalandia Checkpoint; Foto © EAPPI

Auf der Männerseite wurde der humanitäre Zugang früh für alle Männer über 55 geöffnet; so teilte sich der Ansturm und es staute sich nicht übermäßig. Im Unterschied zu Bethlehem waren deutlich mehr Männer zwischen 16 und 30 anwesend. Sie versuchten den Übergang, wurden abgewiesen und sammelten sich dann gegenüber dem Eingang. Nach einer kleinen Wartezeit versuchten sie den Übergang erneut.

Zurückgewiesene junge Männer am Qalandia Checkpoint; Foto © EAPPI
Zurückgewiesene junge Männer am Qalandia Checkpoint; Foto © EAPPI

Wir beobachteten einzelne Personen, die dies mindestens viermal taten. Zwar kam dies auch in Bethlehem vor, insgesamt waren es in Qalandia jedoch mehr, zwischenzeitlich warteten etwa zweihundert Männer gegenüber dem Eingang. Ihr Recht auf freie Ausübung ihrer Religion in Form des Besuchs wichtiger religiöser Stätten musste hinter den Sicherheitsbedenken hinsichtlich des Übergangs junger Männer aus der Westbank nach Jerusalem zurückstecken. Die Gruppe verblieb den ganzen Tag am Checkpoint, wie eine Art Mahnwache als kleines Zeichen des zivilen Protests. Insgesamt blieb es den ganzen Tag über friedlich und die Übergänge wurden nie komplett geschlossen.

Pia, im Juni 2019

Ich nehme für pax christi Deutschland am Ökumenischen Begleitprogramm in Palästina und Israel (EAPPI) des Ökumenischen Rates der Kirchen teil. Diese Stellungnahme gibt nur meine persönlichen Ansichten wieder, die nicht unbedingt die von pax christi oder des Ökumenischen Rates der Kirchen sind.

[1] Checkpont Qalandia im Norden liegt zwischen Jerusalem und Ramallah, der südliche Checkpoint 300 liegt an der Stadtgrenze von Bethlehem.

[2] Alte, kranke und/oder behinderte Menschen.

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