Konfiszierung der Solaranlage von Jubbet adh Dhib

Karte UNOCHA
Karte UNOCHA

Am 13.Juli besuchten wir die kleine Gemeinde Jubbet adh Dhib nahe Bethlehem. Wir kamen in ein auf den ersten Blick verlassenes Dorf. Aber dann sammelten sich doch Frauen und Kinder um uns. Hier also war das israelische Militär am Mittwoch, 28.6.2017 um 8 Uhr morgens  eingedrungen und hatte ohne Vorwarnung und vorher auszuhändigende “Stop work order” die vor gerade acht Monaten installierte große Solaranlage konfisziert, teilweise zerstört und abtransportiert.

Das Dorf liegt in Area C des Westjordanlands unter vollständiger israelischer Kontrolle. Ende 2009 waren zum ersten Mal Teilnehmende von EAPPI hier her gekommen, um der Eröffnung eines neu gebauten kleinen Kindergartens beizuwohnen. Die EAs waren es auch, die den Erstkontakt zur israelisch-palästinensischen NGO „Comet-ME“ herstellten. Comet-ME engagiert sich in abgelegenen Dörfern des Westjordanlands, die aufgrund nicht zu erhaltender Baugenehmigungen und anderer Restriktionen keinen Zugang zum öffentlichen Stromnetz bekommen. Sie richten mit ausländischer Finanzhilfe Solar- und Windkraftanlagen ein. Nach einigen Jahren der Planung erhielt so auch Jubbet adh Dhib 2016 eine Solaranlage, und das Dorf hatte zum ersten Mal eine dauerhafte Stromversorgung. Das niederländische Außenministerium hatte das Projekt finanziert. Der Wert des Ende Juni konfiszierten Materials wird auf 40.000 Euro geschätzt[1].

Hamed von der UN im Gespräch mit Amira vom Frauenkomitee in der Gesundheitsstation des Dorfes
Hamed von der UN im Gespräch mit Amira vom Frauenkomitee in der Gesundheitsstation des Dorfes

Im Dorf haben wir die Gelegenheit, mit einigen Einwohner_innen zu sprechen, unser Kontakt von der UN half bei der Übersetzung. Die Anlage hatte das Lebensgefühl im Dorf für acht Monate geradezu hoch katapultiert, wie uns Frauen sagten. Umso größer sei jetzt die Enttäuschung, ja Verbitterung. Man behelfe sich jetzt mit kleinen Stromaggregaten, die zweimal pro Tag bzw. Nacht in Kühlschränken zumindest kaltes Wasser produzieren. Und man hoffe auf juristische Erfolge. Man hoffe auch auf Rückgabe funktionsfähiger Teile. Notfalls werde man dann versuchen, diese einzeln auf den Häusern anzubringen.

Die Anlage lieferte den 160 Menschen in 31 Familien ununterbrochene Elektrizität, wie auch der kleinen Moschee, dem Kindergarten und fünf Geschäften (Näherin, Schönheitssalon, 2 Hühnerfarmen und ein Minimarkt). Auch konnten einmal pro Woche mit Hilfe einer mobilen Klinik medizinische Tests mit direkten Ergebnissen durchgeführt werden, auf die man jetzt wieder 1-2 Wochen warten muss (Blutentnahme und Test).

Nachdem in früheren Jahren eine innere Zerstrittenheit zwischen den Männern im Dorf vorherrschte, übernahm schließlich ein Frauenkomitee (“women´s group”) die Regie und führte das Dorf zu diesem Höhepunkt. Sie trafen uns und betonten, dass es weitergehen werde. Hamed von der UN sagte: “Es ist Zeit die Palästinenser zu stärken (empower), damit sie auf ihre Weise wieder aufstehen.” Es gibt kleine Ansätze von Umwelt- und Gesundheitserziehung. Eine Einwohnerin sagte sogar: “Unsere Schwierigkeiten könnten ein Segen für andere werden.” Solches Pioniergefühl findet man selten. Zum Schuljahresbeginn am 5. September sollen in der Nähe Container als Behausung für eine neue Grundschule stehen. Das Gelände ist vorbereitet; ob es eine Genehmigung der israelischen Behörden für den Bau geben würde müsste man abwarten. Wir würden die Eröffnung der Schule aber erleben, sagt man uns zuversichtlich, und seien schon jetzt eingeladen, vor unserer Abreise wieder zu kommen.

Nur noch die Gestelle zeugen von der Solaranlage
Nur noch die Gestelle zeugen von der Solaranlage

Am Tag nach unserem Besuch in Jubbet adh Dhib waren wir ins Bethlehemer Rathaus zu einem ausführlichen Gespräch eingeladen, an dem auch eine Frau aus dem Dorf teilnahm. Wir bekamen die ganze Geschichte nochmals erzählt und ich war wieder sehr verwundert über die Energie, Hoffnung und Standhaftigkeit, die die Bewohner_innen von Jubbet adh Dhib verbreiten; auch den weiteren beim Treffen anwesenden Gästen aus Indien, Italien, England und Schweden verschlug es die Sprache.

Wir erlebten Zuspruch und das Versprechen, nochmals ein internationales Diplomaten-treffen zu organisieren, wie es eines schon bei der Inbetriebnahme der Solaranlage vor 8 Monate gegeben hatte.

Vorläufiges Fazit: Man gibt nicht auf. Und auch wir wollen unsere Botschaften und Vertretungen daraufhin ansprechen. Die Stadtvertreter versprechen sich von einer diplomatischen Initiative Richtung USA noch einen Schub. Hoffnungen und Enttäuschungen wechseln sich ab. Aber die Hoffnung  und Widerstandskraft ist stärker. Und dass wir durch unsere Anwesenheit ein wenig dazu beitragen, erfüllt uns mit Freude und Dankbarkeit.

Reinhard, Juli 2017

[1] http://comet-me.org/1909-2/

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner