Fußball – Eine andere Form des Widerstands

Die Mannschaft aus Susiya beim Gruppenbild, im Hintergrund in Orange die Spieler aus Um al Kheir
Die Mannschaft aus Susiya beim Gruppenbild, im Hintergrund in Orange die Spieler aus Um al Kheir

Die beiden Fußballteams von Um al Kheir und Susiya treffen sich zu einem Freundschaftsspiel an einem Donnerstag im März. Beide Dörfer liegen in den sogenannten C-Gebieten der South Hebron Hills und streiten seit vielen Jahren mit israelischen Behörden um eine rechtmäßige Anerkennung. Während die Menschen in Um al Kheir umsiedeln sollen, weil ihr Dorf direkt an die israelische Siedlung Karmel grenzt, sind Familien in Susiya in ihrer Existenz bedroht, da ihr ursprüngliches Dorf 1986 aufgrund seiner archäologischen Bedeutung in ein Museum umgewandelt wurde. Seitdem leben sie „illegal“ auf ihrem angrenzenden Farmland.

Das Spielfeld grenzt direkt an die Siedlung Karmel
Das Spielfeld grenzt direkt an die Siedlung Karmel

Das Spiel findet auf dem „Fußballplatz“ von Um al Kheir statt, Zaun an Zaun zur benachbarten Siedlung Karmel. Das Spielfeld ist – in unseren Augen – eher ein unbearbeiteter Acker, halb bewachsen, ohne Markierungen geschweige denn Netztoren. „Aber besser als gar kein Platz“, denken sich die jungen Spieler. Sie sind hochmotiviert, da sie nicht oft die Gelegenheit haben, in einem offiziellen Match gegeneinander anzutreten.

Das Filmteam beim Dreh
Das Filmteam beim Dreh

Außerdem haben sie ein Filmteam aus England eingeladen, das im Auftrag von Fifa eine Dokumentation über Fußball in Palästina produziert. Auch UN-Mitarbeiter sind anwesend. Zwei israelische Friedensaktivisten der „Villages Group“ fungieren als „Balljungen“ auf der anderen Seite des Zaunes. Diese werden argwöhnisch vom Sicherheitsdienst der israelischen Siedlung unter die Lupe genommen. Wir EAs dürfen es uns in den „Zuschauerrängen“ gemütlich machen.

Israelische Friedensaktivisten als Balljungen
Israelische Friedensaktivisten als Balljungen

Das Fußballspiel nimmt seinen Lauf und auf den ersten Blick scheint es ein Match wie jedes andere auf dieser Welt zu sein. Wir sehen junge Menschen, die ihre Begeisterung für den Fußball teilen. Schaut man jedoch genauer hin, ist mehr zu entdecken:
Sie nehmen sich nicht nur das Recht, auf ihrem eigenen Land Fußball zu spielen, ein Recht, das hier keine Selbstverständlichkeit ist. Nein, sie geben dem Spiel auch eine Weltöffentlichkeit und hoffen somit, noch mehr Menschen über die Situation ihrer Dörfer informieren zu können.

Halb Spielfeld, halb Blumenwiese
Halb Spielfeld, halb Blumenwiese

Alle Spieler des Matches sehen seit Jahren ihre Existenz in den South Hebron Hills bedroht. Ihnen wird das Recht, ein Eigenheim auf ihrem Grund und Boden zu bauen, verweigert. Selbst für den Zaun des Fußballfeldes, der als „Ballnetz“ dient, liegt eine Abrissverordnung vor. Doch sie geben nicht auf. Sie kämpfen bei Gericht nicht nur um ein Bleiberecht, sondern beantragen darüber hinaus bei den israelischen Behörden den Bau eines Fußballfeldes in Susiya. Das wirkt schon leicht provokant im Angesicht der restriktiven israelischen Politik in den C-Gebieten des Westjordanlandes, wo etwa 98,5% der Bauanträge abgelehnt werden. Viele Bewohner der beiden Orte haben schon mehrfach ihr Zuhause durch Abriss verloren. So zuletzt Mitte Februar in Susiya geschehen.

Im Juli 2015 fahren Bulldozer am Dorf Susiya vor
Im Juli 2015 fahren Bulldozer am Dorf Susiya vor

Aktuell liegen für alle Gebäude des Ortsteiles Upper Um al Kheir und für das gesamte Dorf Susiya Abriss-verordnungen vor. Ob und wann diese umgesetzt werden, ist eine Frage der Zeit. Im letzten Sommer schien die Zerstörung von Susiya kurz bevor zu stehen, sogar die Bulldozer waren schon auf Transportern nahe des Dorfes gesichtet worden. Doch massiver internationaler Druck, von Graswurzelorganisationen bis zum EU-Parlament, konnte eine einstweilige Aufschiebung der Zerstörung erwirken.

Jung und Alt kam zum Zuschauen
Jung und Alt kam zum Zuschauen

Das Ergebnis am Ende des Spieles ist für alle Beteiligten völlig unwichtig. Wesentlich sind einzig und allein das Miteinander, der sportliche Ehrgeiz, die Fairness und die Standhaftigkeit angesichts der schwierigen äußeren Umstände.
„Wir möchten der Welt zeigen, wie die Situation hier in Um al Kheir und in Susiya ist, wie wir hier leben. Wir hoffen auf ein Leben in Frieden.“, kommentiert der Trainer von Um al Kheir die Veranstaltung.

Eine großartige Form des friedlichen Widerstandes gegen die israelische Besatzung, unter der die Menschen nun schon seit nahezu 50 Jahren leiden.

Elke, März 2016

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