Ein Sommercamp für Qaryut

Karte © B‘Tselem
Karte © B‘Tselem

Qaryut ist ein kleiner Ort mit ca. 2500 Einwohnern. Er liegt auf halbem Weg zwischen Nablus und Ramallah, teilweise in Zone B (geteilte Kontrolle) und teilweise in Zone C (vollständige israelische Kontrolle). Qaryut ist von zahlreichen Siedlungen und deren Außenposten umgeben. Die  Einwohner des Ortes sind häufig Belästigungen und Übergriffen durch Siedler ausgesetzt.

Wir treffen dort Bashar, der sich ehrenamtlich im Gemeinderat und als lokaler Koordinator für den Palästinensischen Roten Halbmond (Äquivalent Deutsches Rotes Kreuz) engagiert. Bashar zufolge wurden bereits 80% der ursprünglichen Fläche des Ortes vom israelischen Militär konfisziert und aktuell haben 48 Häuser aus dem Ort eine Abrissverfügung[1].

Bashar dokumentiert seit vielen Jahren die Vorgänge in und um das Dorf und vor allem auch die Menschenrechtsverletzungen durch Siedler und Militär. Er hat mehrere Filme gedreht, die die Lage in und um Qaryut zusammenfassen. Bashar wurde nach eigenen Angaben schon mehrfach inhaftiert, verletzt und bedroht. Und dennoch arbeitet er unermüdlich weiter für das Dorf und seine Einwohner. Er hat ein Informationszentrum für Kinder und Jugendliche eingerichtet, organisiert Demonstrationen gegen die Konfiszierung des Landes und hilft aktuell beim Aufbau eines Kindergartens mit.

Handwerskarbeiten, die die Kinder uns stolz präsentiert haben @EAPPI
Handwerskarbeiten, die die Kinder uns stolz präsentiert haben @EAPPI

Diese Woche wurden wir von ihm zu einer besonderen Veranstaltung eingeladen. Da aktuell Sommerferien sind finden in  vielen Orten nun Sommercamps statt. Das Sommercamp in Qaryut wurde von Bashar mitorganisiert und ist Teil des Projekts „Yalla Shabaab“ (Los geht’s Kinder!), welches von der NGO Save the Children unterstützt wird.

Zum Programm des Camps gehören Erste-Hilfe-Kurse, Handwerksarbeiten, der Umgang mit Kameras zur Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen und sportliche Aktivitäten. Auch die Eltern werden in das Sommercamp miteingebunden und können Veranstaltungen besuchen. Es ist aufbauend zu sehen, wie fröhlich die Kinder sind. Gleichzeitig wird mir aber auch bewusst, wie traurig es ist, dass Kurse zur Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen im Curriculum eines Sommercamps zu finden sind.

Jungen und Mädchen gehen in verschiedene Sommercamps. Wir durften die Jungen während einer Veranstaltung treffen. Sie erzählen uns von ihren liebsten Kursen (dabei war Sport unter den Spitzenreitern) und wie toll sie es finden, während der langen Sommerferien ein solches Angebot zu haben. Viele Kinder helfen in den Sommerferien ihren Eltern bei der Arbeit auf den Feldern. Bei den Sommercamps können sie sich mit anderen Kindern treffen.

Bashar wird von Studentinnen der An- Najah Universität Nablus interviewt; ©EAPPI
Bashar wird von Studentinnen der An- Najah Universität Nablus interviewt; ©EAPPI

Außerdem haben die Kinder berichtet, dass sie sich sehr auf den Ausflug am letzten Tag des Camps freuen. Es soll  ins Schwimmbad gehen. Denn obwohl die Kinder nur wenige Kilometer vom Mittelmeer entfernt wohnen, ist es für sie nahezu unerreichbar. Israel schränkt die Bewegungsfreiheit von Palästinensern innerhalb der Westbank, zwischen der Westbank und Gaza, nach Israel und in andere Länder ein. Um nach Israel zu gelangen benötigen Palästinenser eine Erlaubnis, unabhängig davon, ob sie Angehörige besuchen möchten, medizinisch versorgt werden sollen oder zur Arbeit nach Israel müssen. Allerdings ist es sehr schwer, eine solche Erlaubnis zu erhalten und sie kann ohne Angabe eines Grundes jederzeit wieder entzogen werden. Siedler haben dieses Problem nicht, sie können frei reisen[2], nur die Fahrt in die A-Gebiete, die theoretisch unter vollständiger palästinensischer Kontrolle stehen (etwa 18% der Westbank), ist ihnen nach israelischem Recht nicht gestattet.

Wir hoffen, dass die Kinder ihren Ausflug realisieren können, denn hier scheint so etwas Simples wie eine Klassenfahrt manchmal zu einer großen Herausforderung zu werden.

Auch deshalb ist es aufbauend, Menschen wie Bashar zu treffen. Trotz zahlreicher Rückschläge arbeitet er weiter mit Elan und positiver Energie daran, das Leben seiner Mitmenschen zu verbessern. Wir drücken ihm die Daumen für seine zahlreichen Projekte und hoffen, dass er mit seinem Tatendrang viele Menschen erreichen und dazu motivieren kann, sich für ein besseres Leben in Palästina einzusetzen.

Anja, im August 2018

[1]  https://www.ochaopt.org/content/west-bank-demolitions-and-displacement-january-2018

[2] https://www.btselem.org/topic/freedom_of_movement; https://www.ochaopt.org/theme/movement-and-access

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