Ein Nachmittag mit dem Farmer Abu Omar in Shufa

Shufa ist ein kleines Dorf im Norden der Westbank. Abu Omar, unser Kontakt in Shufa, hatte auf unsere Anfrage hin, ob wir ihn besuchen können, sofort zugesagt, und schon am nächsten Tag empfingen er und seine Familie uns in ihrem Zuhause. Abu Omar setzte sich uns gegenüber auf die Couch und legte die Hände auf den Schoß, lächelte uns an. Er strahlte Ruhe aus und ich fühlte mich sofort wohl. Das Bild, wie er so vor uns saß, wird mir allein wegen seiner Ästhetik lange in Erinnerung bleiben. Auf mich wirkte es wie ein Bild aus dem National Geographic: authentisch, ausdrucksstark.

Abu Omar in seinem Haus in Shufa; © EAPPI
Abu Omar in seinem Haus in Shufa; © EAPPI

Die uns schon so häufig zuteil gewordene palästinensische Gastfreundlichkeit blieb nicht aus. Wir wurden mit Tee, Kaffee und Süßspeisen versorgt. Wir erhielten sogar eine kleine Flasche Olivenöl, die aus der hauseigenen Produktion stammt. Abu Omar besitzt einige Felder und Olivenhaine um Shufa herum, die seit dem Abschluss der Oslo-Verträge und der damit verbundenen Aufteilung der Westbank in Zonen unterschiedlicher Kontrolle in der sogenannten „Area C“ liegen, unter vollständiger israelischer Kontrolle.

Die Siedlung Avne Hefez, von Abu Omars Grundstück aus fotografiert; © EAPPI
Die Siedlung Avne Hefez, von Abu Omars Grundstück aus fotografiert; © EAPPI

Nachdem wir verköstigt wurden, fuhren wir zu Abu Omars nächstliegenden Feldern. Wir bahnten uns den Weg über ein Feld hin zu einem kleinen Häuschen, in dem er seine Gerätschaften lagert und wo er auch manchmal übernachtet. Die israelische Siedlung Avne Hefez ist nur einige hundert Meter von Abu Omars Feld entfernt.

Automatisch lief ich der Siedlung entgegen, um sie von Näherem zu betrachten, als mich Abu Omar bat, mich nicht weiter anzunähern, denn zu oft habe es schon Ärger mit den Siedlern gegeben: Einige Male wurden Äste von seinen Olivenbäumen abgeschnitten. Erst vor kurzem sei sein Bruder von Siedlern mit Parolen und Drohungen vom Feld gescheucht worden. Und es ist erst ein halbes Jahr her, so berichtet Abu Omar, dass er eine israelische Fahne in seinem Häuschen stecken gefunden hat. Dies sei wohl das verbreitete Symbol für Besitzanspruch. Er möchte nun so vorsichtig und non-konfrontativ wie möglich mit den Siedlern umgehen, es wäre ihm am liebsten, wenn wir gar nicht gesehen würden.

Zum ersten Mal in meinem Leben schöpfte ich Wasser aus einem Brunnen; © EAPPI
Zum ersten Mal in meinem Leben schöpfte ich Wasser aus einem Brunnen; © EAPPI

Auf dem Grundstück zeigte uns Abu Omar seine Hühner und wir sammelten 4 Eier ein, die wir dann auf einem kleinen Feuer im Kräutergarten kochten. Es schmeckte wunderbar, stammten die Eier doch von glücklichen Hühnern und könnten frischer kaum sein. Ich hatte vorher über Unwohlsein wegen all dem konsumierten Koffein geklagt. Salbei hilft da schnell und gut, sagte Abu Omar, während er Salbei für mich pflückte. Mit dem restlichen heißen Wasser machten wir Salbei-Tee, den wir dann gemeinsam genossen. Und er hatte recht. Nach knapp 20 Minuten ging es mir wieder gut.

Später zeigte Abu Omar mir den kleinen Brunnen auf seinem Grundstück und ich durfte frisches Wasser schöpfen und sofort trinken. Es war eine komplett neue Erfahrung, ich habe das noch nie gemacht! Wasser hat mir selten so gut geschmeckt!

In direkter Nachbarschaft zum palästinensischen Dorf Shufa liegt die israelische Siedlung Avne Hefez (lila) mit ihrem Außenposten Hahar; © EAPPI
In direkter Nachbarschaft zum palästinensischen Dorf Shufa liegt die israelische Siedlung Avne Hefez (lila) mit ihrem Außenposten Hahar; © EAPPI

Auf dem Rückweg machten wir einen kurzen Halt am Rand von Shufa. Abu Omar zeigte uns einen Ausblick, der ein paradoxes Bild lieferte. Auf der linken Seite konnte man sehen, wie die israelische Siedlung Avne Hefez erweitert wird. Auf der anderen Seite, wie die Palästinenser in Shufa einen Tierstall bauen. Ich fragte, ob sie dafür eine Baugenehmigung haben.

Abu Omar schüttelt den Kopf. Nein, dieses Gebiet läge auch in Zone C. „Wir erhalten hier keine Baugenehmigungen, müssen aber dabei zuschauen, wie die Israelis ständig ihre Siedlung hier erweitern. Aber dennoch bauen wir diesen Tierstall. Wir brauchen ihn und wir gehen das Risiko ein, dass er möglicherweise irgendwann vom Militär zerstört werden wird“. Er erzählt uns weiterhin, dass dem Ort von 12000 Dunum Fläche nur noch 200 Dunum geblieben sind, auf denen sie legal leben und bauen dürfen. „Ich fühle mich oft wie ein Fremder in meinem eigenen Heimatdorf“, sagt Abu Omar.

Blick von Shufa: links der Ausbau der israelischen Siedlung Avne Hefez, recht (im Tal) der Bau des Tierstalls am Rande des palästinensischen Dorfes; © EAPPI
Blick von Shufa: links der Ausbau der israelischen Siedlung Avne Hefez, recht (im Tal) der Bau des Tierstalls am Rande des palästinensischen Dorfes; © EAPPI

Als wir mit ihm nach Hause fahren lächelt er uns an und bedankt sich dafür, dass wir gekommen sind. Er wirkt nach wie vor tiefenentspannt. Doch nachdem wir einen kleinen Einblick in seine Lebensrealität erhalten haben, bin ich mir sicher, dass er tief im Inneren großen Kummer erlebt und extreme Zukunftssorgen hat. Doch dies äußert er uns gegenüber nicht explizit, er jammert nicht, er flucht nicht. Er ist gelassen, dankbar für unser Interesse und wünscht uns nur das Beste für unseren weiteren Weg.

Rebecca, Juli 2018

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