Das „Orakel von Bethlehem“: Majdi Ata Amro

Herzlicher Empfang in Majdis Laden
Herzlicher Empfang in Majdis Laden

Das „Orakel von Bethlehem“, so hieß er in einer englischen Zeitung: Majdi Ata Amro (53) mit seinem Touristenladen besonderer Art in der Manger Street in Bethlehem, wo er nicht nur an die Touristen verkauft und seinen Lebensunterhalt verdient, sondern auch seine Gäste aus aller Welt gerne empfängt. Kaffee in kleinen Pappbechern und Tee in Gläsern, immer mit ein paar Blättern frischen Grüns, schaffen schnell eine heimische Atmosphäre. Wir bekommen dazu eine eigens mit unseren drei Namen gefertigte Tasse geschenkt. Wow! – Majdi fragt mich zu Deutschland aus; er kennt das Land vom Hörensagen naher Verwandter aus Frankfurt, Dortmund („Borussia“) und Stuttgart („Mercedes“) – mehrere sind Akademiker und Ärzte, die hier in Palästina keinen Arbeitsplatz fanden. Einer arbeitet sogar in beiden Ländern.

Wir kommen ins Gespräch. Seinen Laden, gegründet 1979, hat er vom Vater geerbt, als der noch im Zentrum Bethlehems auf dem Manger Square vor der Geburtskirche arbeitete. Der Laden wurde hierher an den Rand der Stadt Richtung Mauer neben das „Paradise Hotel“ verlegt, weil hier die Touristenbusse zwischen Jerusalem und Bethlehem verkehren.  Ein paar Häuser weiter ist ein noch etwas größerer und breiter gefächerter Laden seines Neffen Achmed; der Neffe mag uns wirklich, wie er mir kürzlich noch versicherte; er tauscht sich gern mit uns politisch aus und spürt die Solidarität.

Beim Onkel stürmen derweil zwei junge Freiwillige aus Schottland und England herein, die in einem Sozialprojekt mit Kindern einige Sommermonate im Aida-Flüchtlingscamp aushelfen. Der Laden wirkt wie ein familiärer Treffpunkt.

Aber Majdi ist auch ein sehr politischer Mensch; er sagt: „Es ist Zeit für den Frieden – endlich. … Ich hoffe, die Situation wird sich ändern. Die Tage der Zukunft werden besser sein. … Wir hatten genug Kämpfe; genug Absperrungen; genug Bestrafungen so vieler Leute. Ich warte auf Frieden und Freiheit für alle, für Bethlehem und Jerusalem, für alle in der Welt.“ Dann fügt er nachdrücklich hinzu: „Geld sollte nicht mehr für Waffen gesammelt und ausgegeben werden, sondern für Medizin. Wir sollten Blumen pflanzen statt Bomben werfen. … Politisch habe ich heute mehr Hoffnung als zuvor. Für die nächste Generation. Es ist genug gelitten und gekämpft worden.“  Immerhin sei ja auch die Berliner Mauer gefallen: „There were two walls, here and in Berlin; one has fallen already!“ („Von den zwei Mauern ist eine schon gefallen!“)

Leserbrief über Majdi im Guardian
Leserbrief über Majdi im Guardian

„Our dreams can´t be swept away“ – unsere Träume können nicht einfach weggewischt werden, sagt er dann nur und wendet sich in aller Liebenswürdigkeit wieder seinen Gästen zu. Er praktiziert Frieden, er redet nicht nur von einer Utopie. In einem Leserbrief[1] in der britischen Zeitung The Guardian wird genau diese Atmosphäre gewürdigt: „Come my friend, coffee is ready!“ Sichtlich stolz ist er auf diesen Artikel aus England, den er eingerahmt aufgehängt hat. Aus dem „Guardian“ ein Beitrag, eine Lobeshymne auf ihn, die genau die Friedensahnung würdigt, die sich bei ihm ausbreitet, im Lächeln, bei der Begrüßung, beim aufmerksamen Austausch. Der Beitrag stand in einer wöchentlichen Leserbriefspalte über bemerkenswerte Menschen, die Leserinnen und Lesern als Autoren offensteht. Gern erzählt er uns dann zum Abschied nochmals eine Geschichte, die auch schon im Guardian stand: eine polnische Ordensschwester war so fasziniert, dass sie ihren Orden aufgeben und ihn heiraten wollte. Vor so viel Spontaneität hat er dann doch einen Schreck gekriegt und das lieber nicht zugelassen. Aber gerührt hat es ihn offensichtlich doch, sonst würde er es nicht mehr erzählen.

Viele kommen in den Laden, weil sie in Bethlehem von Majdi gehört haben – ein Ruf geht diesem Mann voraus. In den 15 Jahren des Bestehens unseres Programms hat er mit einer Ausnahme auch alle Bethlehem-Teams von EAPPI getroffen. Es fällt leicht, sich bei ihm wohlzufühlen, die Gastfreundschaft, eine gewisse Normalität und vor allem seine Zuversicht zu genießen.

Reinhard, September 2017

[1] https://www.theguardian.com/world/2014/jan/07/bethlehem-coffee-house-palestinian-territorie

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