Checkpoints entlang der Trennbarriere – Teil 1

Agricultural Checkpoints – Getrennt von Feldern und Plantagen

Der Landwirtschafts-Checkpoint in Quaffin
Der Landwirtschafts-Checkpoint in Quaffin

Seit Ende April bin ich mit meinem kleinen Team von 3 EAs (Ecumenical Accompaniers) im Standort in Tulkarm. Es handelt sich überwiegend um ein sehr fruchtbares landwirtschaftliches Gebiet, in dem viele Bewohner vom Ackerbau leben. Da Tulkarm am Fuße des palästinensischen Berglandes liegt, treten hier viele Wasserquellen zu Tage. Viele der örtlichen Brunnen haben bereits vor der israelischen Staatsgründung existiert und deshalb ist das Wasserproblem in diesem Gebiet vergleichsweise klein.

Bauern warten am Landwirtschafts-Checkpoint in Attil
Bauern warten am Landwirtschafts-Checkpoint in Attil

Eine unserer Aufgaben ist die Beobachtung der Landwirtschafts-Checkpoints in der sogenannten „Seam Zone“.
Die Trennbarriere ist insgesamt 712 km lang. Sie befindet sich größtenteils innerhalb der Westbank und damit nicht auf der „Grünen Linie“ (323 km), der international anerkannten Grenze zwischen Israel und der Westbank. Dadurch liegen 9,4 % der Westbank (einschließlich Ost-Jerusalem) isoliert zwischen der Barriere und der eigentlichen Grenze, dieses Gebiet wird „Seam Zone“ genannt. 65 von insgesamt 150 israelischen Siedlungen in der Westbank befinden sich durch diesen Verlauf auf der „israelischen Seite“ der Trennbarriere.
150 Palästinensische Gemeinden haben Land in der „Seam Zone“. Das beinhaltet ganze Stadtteile, Dörfer, Einzellagen und Ackerland. Alle diese betroffenen Standorte und Personen befinden sich auf der „falschen Seite“ der Barriere und benötigen israelische Genehmigungen, um ihr Land zu betreten oder weiterhin in ihren Häusern wohnen zu können.

Bauern warten auf die Öffnungs des Landwirtschafts-Checkpoints in Deir al-Ghussun
Bauern warten auf die Öffnungs des Landwirtschafts-Checkpoints in Deir al-Ghussun

Wir beobachten z.Zt. 7 der Landwirtschafts-Checkpoints, die allesamt nördlich von Tulkarm liegen. Sie gehören zum Land von: Akkaba, Qaffin, Nazlat ‚Isa, Zeita, Attil, Deir al- Ghussun und Far’un (hier geht es zur Karte). Die Öffnungszeiten der Landwirtschafts-Checkpoints sind sehr unterschiedlich. Einige wenige sind jeden Tag am Morgen, Mittag und am Abend jeweils für etwa eine halbe Stunde geöffnet. In der übrigend Zeit gibt es selbst in Notfällen keine Möglichkeit, zurück zum Dorf zu gelangen. Viele Landwirtschafts-Checkpoints werden nur während der Zeit der Olivenernte betrieben, wodurch eine regelmäßige Pflege der Bäume und anderweitige Landwirtschaft nicht möglich ist.

EAs beobachten die Lage am Landwirtschafts-Checkpoint in Deir al-Ghussun
EAs beobachten die Lage am Landwirtschafts-Checkpoint in Deir al-Ghussun

Wir beobachten häufig, dass viele Bauern und Arbeiter schon lange vor den angekündigten Öffnungszeiten am Tor warten, um die kurzen Öffnungszeiten nicht zu versäumen. Oft öffnen die zuständigen Soldaten aber unpünktlich und wertvolle Arbeitszeit geht verloren. Außerdem werden die genannten Öffnungszeiten oft nicht bis zum Ende eingehalten, sondern die Tore geschlossen, sobald der letzte wartende Arbeiter passiert hat. Wer später kommt, hat Pech gehabt.

Soldaten kontrollieren die Bauern in Deir al-Ghussun
Soldaten kontrollieren die Bauern in Deir al-Ghussun

Die israelischen Soldaten sind in der Regel zu dritt oder viert am Tor. Ein bis zwei behalten mit dem Maschinengewehr im Anschlag die ganze Situation im Auge. Ein weiterer steht direkt am Tor und lässt immer nur Fünfergruppen von Arbeitern passieren. Ein weiterer steht an einem überdachten Unterstand, kontrolliert die Genehmigungen und gibt die Nummern in sein Smartphone oder Tablet ein. Manchmal gibt es eine größere Gruppe von Soldaten und es werden zwei Kontrollpunkte eröffnet, dann läuft die Abfertigung zügiger.

Eine Ziegenherde am Landwirtschafts-Checkpoint in Akkaba
Eine Ziegenherde am Landwirtschafts-Checkpoint in Akkaba

Für fast jedes landwirtschaftliche Werkzeug, Traktoren, Tiere wie Esel oder Arbeitspferde, Schafe, Ziegen, Hühner, Tauben, notwendige Bauteile zur Instandhaltung von Unterständen, Pflanzen-Setzlinge, Dünger, Unkrautbekämpfungsmittel, Bewässerungssysteme etc. benötigen die Bauern schriftliche Genehmigungen, die lange vor dem Bedarf eingeholt werden müssen. Für kurzfristige, situationsbedingte Aktivitäten (z.B. Schädlingsbefall) bleibt da wenig Flexibilität zu handeln.

Das zerstörte Gewächshaus von Jalal
Das zerstörte Gewächshaus von Jalal

An manchen Orten, so z.B. in Attil und Deir al-Ghussun, befinden sich auch Gewächshäuser in der „Seam Zone“. Wurden an diesen Veränderungen vorgenommen, drohen ihnen Abrissanordnungen, die ohne Vorankündigung ausgeführt werden können. So geschehen am 29.05.2016, der betroffene Farmer war Jalal.

Dieser Junge begleitet seine Eltern auf das Farmland der Familie
Dieser Junge begleitet seine Eltern auf das Farmland der Familie

Für Kinder unter 16 Jahren ist die „Seam Zone“ mit ihren Eltern normalerweise ohne Genehmigung zugänglich. Wir haben aber des Öfteren beobachtet, dass Kinder abgewiesen wurden, obwohl sie offensichtlich das zulässige Höchstalter noch nicht erreicht haben.

An einem Tage wurden 1000 Chili-Pflanzen abgewiesen, da keine Genehmigung für sie vorlag, an einem anderen waren es drei Käfige mit Tauben, die nicht über die „Barriere“ durften.

Diese Chili-Pflanzen durften nicht mit durch den Landwirtschafts-Checkpoint in Deir al-Ghussun
Diese Chili-Pflanzen durften nicht mit durch den Landwirtschafts-Checkpoint in Deir al-Ghussun

Auch ein originalverpackter Kaffeebecher erweckte das Misstrauen der Soldaten und verursachte anhaltende Begutachtung. Des Öfteren ist auch das liebevoll verpackte Vesper der Ehefrau oder Mutter der Fokus genauerer Inspektionen.

Eine weitere Beobachtung ist, dass Arbeiter mit zu sauberer und ordentlicher Kleidung oft abgewiesen werden, da ihnen unterstellt wird, dass sie gar nicht beabsichtigen, auf den Feldern jenseits der Barriere zu arbeiten, sondern von dort aus zu einer anderen und besser bezahlten Arbeitsmöglichkeit in Israel zu gelangen. Junge unverheiratete Männer haben meist keine Chance, eine offizielle Arbeitserlaubnis zu bekommen und auf legalem Wege die Checkpoints zu passieren. Die schlecht bezahlte Arbeit auf den Feldern von palästinensischen Bauern bildet da oft die einzige Möglichkeit.

Warteschlnge am Landwirtschafts-Checkpoint in Deir al-Ghussun
Warteschlnge am Landwirtschafts-Checkpoint in Deir al-Ghussun
Blick auf Netanya und Mittelmeer vom Landwirtschafts-Checkpoint in Deir al- Ghussun
Blick auf Netanya und Mittelmeer vom Landwirtschafts-Checkpoint in Deir al- Ghussun

In der Regel ist einer der palästinensischen Arbeiter für die Reihenfolge der Schlange zuständig und führt eine Liste und ruft Arbeiter der Reihe nach in Fünfergruppen auf, sich den Soldaten zu nähern. Zwischendurch dürfen Traktoren und Esel- bzw. Pferdewagen das Tor passieren. An Tagen, an denen diese „ordnende Person“ fehlt, gibt es oft ein Gerangel vor dem Tor, das meist damit endet, dass die Soldaten das Tor kurzzeitig schließen um die palästinensischen Arbeiter zur geforderten Disziplin zu zwingen.

Am Tor von Deir al-Ghussun können die Arbeiter die Skyline von Netanya sehen, eine israelische Stadt die direkt am Mittelmeer liegt. Seit dem Bau der Trennbarriere ist die Küste mit ihren herrlichen Stränden für die meisten der Arbeiter unerreichbar, obwohl diese nur ca. 14 km entfernt ist!

Iris, Tulkarm im Juni 2016

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