Brennende Bäume

Wir wohnen in einem sehr kleinen Dorf südöstlich von Nablus. In Yanoun leben ungefähr 100 Menschen, deren Haupteinnahmequelle Oliven und die Schafzucht sind. Es ist wirklich unfassbar schön hier. Wenn ich an Geschichten aus der Bibel denke, dann stelle ich mir eine Landschaft wie diese vor. Weite hügelige Felder, bewachsen mit Olivenbäumen, friedlich grasende Schafe. Doch die Idylle trügt.

Felder und Hügel in Yanoun; © EAPPI
Felder und Hügel in Yanoun; © EAPPI

Das Dorf ist umgeben von illegalen israelischen Siedlungsaußenposten. Seit Jahren belästigen und bedrohen bewaffnete Siedler die Dorfbewohner. In der Vergangenheit wurden Einwohner geschlagen, Schafe getötet. Auch heute können einige Straßen und Felder nicht genutzt werden, da die Einwohner es als zu gefährlich einschätzen, oder es Zugangsbeschränkungen durch den Siedlungsbau gibt. So hatten die Bewohner 2002 das Dorf gar vollständig verlassen, da die Bedrohung durch die Siedler unerträglich geworden war. Israelische und internationale Menschenrechtsaktivisten haben kurz darauf den Bewohnern geholfen, ins Dorf zurückzukehren. Seit 2003 lebt nun dauerhaft eine internationale Gruppe in Yanoun und von Juni bis September gehöre ich dazu.

Seit der Ankunft der internationalen Beobachter im Dorf ist die Gewalt deutlich zurückgegangen. Doch nicht nur dieses Dorf leidet unter Übergriffen von Siedlern. Auch umliegende Dörfer und Orte sind regelmäßig von Übergriffen betroffen. Internationalem Recht zufolge ist der Aufbau von Siedlungen in besetzten Gebieten durch die Besatzungsmacht verboten. Dennoch gibt es in den besetzten palästinensischen Gebieten 127 vom israelischen Innenministerium offiziell genehmigte Siedlungen und ca. 100 Außenposten[1], die ohne Genehmigung gebaut wurden. Die Errichtung von Außenposten wird in der Regel von besonders nationalreligiös motivierten Siedlern vorangetrieben. Obwohl die Außenposten theoretisch selbst nach israelischem Recht illegal sind, werden diese Außenposten mit israelischer Infrastruktur versorgt (Wasser, Strom) und vom israelischen Militär geschützt.

Das Leben in der Nähe der Siedlungen ist für viele Palästinenser schwer[2]. Schon an unserem ersten Abend hier konnten wir das live erleben. Kurz nach unserer Ankunft im Dorf bekamen wir einen Anruf. Uns wurde mitgeteilt, dass Siedler am Rande des palästinensischen Ortes Burin Olivenbäume angezündet hätten, die in der Nähe der Siedlung stehen. Das Land, auf dem die Bäume stehen, gehört zu den C-Gebieten der Westbank[3], die unter vollständiger israelischer Kontrolle stehen. Der Zugang, selbst zu Privateigentum, kann für Palästinenser in diesen Gebieten sehr stark eingeschränkt sein. Die palästinensische Autonomiebehörde darf hier ebenfalls nur in Ausnahmefällen aktiv werden. So gibt es keine palästinensische Polizei; Feuerwehr und Krankenwagen benötigen Genehmigungen des israelischen Militärs, um in bestimmten Gebieten eingreifen zu können.

Brennende Olivenbäume in Burin, auf dem Hügel ein Teil der Siedlung; © EAPPI
Brennende Olivenbäume in Burin, auf dem Hügel ein Teil der Siedlung; © EAPPI

Wir fuhren so nah wie möglich an die brennenden Bäume heran. Nach einigen Minuten konnten wir sehen, wie die israelische Feuerwehr auf dem Hügel über den Bäumen ankam. Zuerst war ich erleichtert, doch dann passierte nichts. Die israelische Feuerwehr beobachtete, wie sich das Feuer ausbreitete, und tat nichts. Nach einer Stunde (wir vermuten, aufgrund des Genehmigungsprozesses) kam dann die palästinensische Feuerwehr an und konnte damit beginnen, den Brand zu löschen. Da waren allerdings schon einige Olivenbäume den Flammen zum Opfer gefallen. Es war für uns nicht nachzuvollziehen, warum die israelische Feuerwehr nicht eingeschritten war. Kurze Zeit später wies uns die israelische Polizei an, unseren Standort zu verlassen. Im Vorbeifahren konnten wir etwas später sehen, dass das Feuer komplett gelöscht war.

Wir sprachen mit dem lokalen Kontakt in Burin, der uns gebeten hatte, zu kommen, und man konnte ihm den Frust und Ärger deutlich im Gesicht ablesen. „Welcome to Palestine“ sagte er nur und lächelte müde.

Anja, Juni 2018

[1] https://www.btselem.org/settlements

[2] https://www.ochaopt.org/theme/humanitarian-impact-of-settlements

[3] Die Westbank ist in drei Zonen aufgeteilt: Area A, B und C. Area A wird von den Palästinensern kontrolliert und besteht hauptsächlich aus palästinensischen Innenstädten, Area B steht unter palästinensische und israelischer Kontrolle und Area C steht unter israelischer Kontrolle

 

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